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Überfalltaktik im Kampf gegen Corona: Abgesperrtes Wohnviertel in Hongkong

© Reuters/Tyrone Siu

Überfallartige Lockdowns und Zwangstests: So radikal ist die Corona-Strategie in Hongkong

Hongkongs Regierung geht beim Kampf gegen die Pandemie rabiat vor. Polizisten riegeln ohne Vorwarnung Wohnviertel ab – es soll sogar noch großflächiger werden.

Hongkong setzt im Kampf gegen die Corona-Pandemie auf eine ebenso rigorose wie umstrittene Methode: Ohne Vorwarnung riegeln Polizisten meistens in den späteren Abendstunden immer wieder ganze Wohnviertel ab, um alle Bewohner zwangsweise auf das Virus zu testen. So wollen die Behörden mögliche Infektionsherde eindämmen.

Bislang sind in Hongkong auch aufgrund der ohnehin schon strengen Maßnahmen nur gut 10.500 bestätigte Corona-Infektionen und etwa 180 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 registriert worden.

Damit ist die dichtbesiedelte Finanzmetropole mit ihren etwa 7,5 Millionen Bewohnern vergleichsweise glimpflich durch die Pandemie gekommen.

Zuletzt aber hatte es immer mal kleinere Infektionsherde in ärmeren Stadtvierteln und auf Baustellen gegeben – was die Behörden zu ihrem drastischen Vorgehen veranlasste.

Der Unmut über diese rabiate Strategie wächst in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Die Regierung verbreite mit der Ende Januar gestarteten „Überfalltaktik“ Angst und Unsicherheit und mache unnötig Alarm, beschweren sich die für ein oder zwei Tage eingesperrten Hongkonger in den betroffenen Wohnvierteln – vor allem dann, wenn wie zuletzt in Sham Shui Po oder Tin Shui Wai, unter den Zwangsgetesteten keine positiven Fälle gefunden werden.

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Regierungschefin Carrie Lam aber verteidigt die unerbittliche Linie als notwendige Maßnahme in der Pandemie. Auch wenn dabei bislang nur wenige positive Fälle entdeckt wurden, sei es „keine Verschwendung von Arbeitskraft und Geld“.

„Wir stehen einer Jahrhundert-Pandemie gegenüber. Wir brauchen Geduld und das Bemühen jedes Einzelnen, um da rauszukommen“, appellierte Lam an die Bevölkerung.

Mindestens ein unangekündigter Lockdown pro Tag

Ihr Stellvertreter Matthew Cheung kündigte an, dass es bis zum Chinesischen Neujahrsfest am 12. Februar, wenn das Jahr des Büffels beginnt, solche unangekündigten Lockdowns „noch großflächiger und öfter“ geben werde, mindestens einer pro Tag werde es sein.

Mobile Corona-Teststation bei einem überraschenden Lockdown im Viertel Yau Ma Tei
Mobile Corona-Teststation bei einem überraschenden Lockdown im Viertel Yau Ma Tei

© Reuters/Tyrone Siu

Das Vorgehen der Polizei ist dabei immer dasselbe: Eine Reihe von Beamten schwärmt mit Absperrband in den Händen aus und isoliert Straßenzüge und Wohngebiete. Vor den Gebäuden werden mobile Teststationen errichtet. Polizisten klopfen an Wohnungstüren und fordern jeden auf, sich unter an der Straße testen zu lassen.

Wer nicht spurt, muss eine Strafe von 5000 Hong-Kong-Dollar (rund 540 Euro) zahlen. Die Regierung gebe der Polizei sogar das Recht, mit Gewalt in Wohnungen einzudringen und die Bewohner zum Test zu zwingen, berichtet die „South China Morning Post“.

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Bislang haben die überfallartigen Lockdowns vor allem Wohnviertel mit älteren Gebäuden getroffen, in denen die Menschen in kleinen Apartments dicht an dicht wohnen und die Gefahr von Infektionen entsprechend höher ist. Doch klare Richtlinien, welche Gebiete sie kontrollieren will, hat die Regierung nicht veröffentlicht.

Lokale Medien wie die „South China Morning Post“ haben daher die bisherigen Fälle analysiert, um Vorhersagen für die kommenden Ziele zu treffen. Die Behörden hätten etwa vor den überraschenden Kontrollen für die betroffenen Gebiete von „schweren Ausbrüchen“ des Coronavirus gesprochen oder in einer Gegend, in der wegen einer erhöhten Zahl von Coronafällen schon ohnehin strengere Maßnahmen gelten, auf den hohen Bestand an alten Wohngebäuden hingewiesen.

So werden die Hongkonger erst einmal aus solchen Zeichen lesen müssen, ob vielleicht ihr Viertel das nächste Ziele eines überraschenden Lockdowns wird. Widersetzen können sie sich ohnehin schwerlich. „Wir haben keine Wahl. Wir müssen uns fügen“, zitiert die „South China Morning Post“ den Bewohner eines Wohnblocks in Yau Ma Tei, der eine solche Isolation mit Zwangstest schon hinter sich hat.

Andere fühlen sich nicht übermäßig belästigt durch die Überfalltaktik der Behörden, weil sie ohnehin lieber daheim bleiben.

Doch viele zweifeln, ob die Methode wirklich funktioniert im Kampf gegen Corona. „Ich fühle mich jetzt nicht viel sicherer“, sagte etwa die Bewohnerin eines Wohnblocks in Laguna City der Zeitung nach einem Lockdown. „Die Leute gehen weiter aus. Heute geht es ihnen gut, aber du weißt nicht, was passiert, wenn du am nächsten Tag woanders hingehst.“

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