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© dpa

Ulla Schmidt, Gesundheitsministerin: "Ich erwarte, dass die Länder sich ihrer Verantwortung stellen"

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt über die Risiken der Schweinegrippe und ihre Empfehlungen für eine Impfung.

Was erwarten Sie sich von dem Treffen mit Ihren Länderkollegen zum Thema Schweinegrippe an diesem Montag?

Ich gehe davon aus, dass die Landesgesundheitsminister sich ihrer Verantwortung stellen. Experten befürchten, dass es mit dem Zusammentreffen der saisonalen Grippe im Winter zu schlimmeren Entwicklungen kommen könnte. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Deshalb erwarte ich, dass die Landesgesundheitsminister Entscheidungen zu den notwendigen weiteren Bestellungen von Impfdosen treffen. Ich möchte, dass jeder, der sich impfen lassen will, auch geimpft werden kann. Dafür müsste ausreichend Impfstoff bestellt werden. Ich kann mir schwer vorstellen, dass die Gesundheitsminister der Länder ihre Entscheidungen von anderen Erwägungen abhängig machen als davon, der Bevölkerung einen bestmöglichen Schutz anzubieten.

Trotzdem müssen die Impfungen bezahlt werden. Und die Länderfinanzminister haben in seltener Einmütigkeit klargestellt, dass mit ihnen dabei nicht zu rechnen ist…

Mit den Kassen habe ich eine Einigung erreicht: Die Kassen bezahlen zunächst alle Impfungen ihrer Versicherten. Wir haben zugesagt, aus Steuermitteln die Kosten zu erstatten, wenn sich mehr als 50 Prozent der gesetzlich Versicherten impfen lassen. Das heißt, die Kosten für die Kassen sind in diesem Jahr höchstens 600 Millionen Euro und im nächsten Jahr noch einmal 400 Millionen Euro. Wenn sich mehr impfen lassen, gibt es Steuermittel, damit die Kassen keine Zusatzbeiträge erheben müssen. Wie die Verteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern dann aussieht, müssen die Finanzminister noch klären. Die Länder sind für den Katastrophenschutz zuständig und organisieren auch die Impfungen.

Befürchten Sie nicht, auf dem Impfstoff sitzen zu bleiben? Die Impfbereitschaft ist bislang nicht überwältigend. Und bisher verläuft die Schweinegrippe harmloser als eine gewöhnliche Influenza.

In Deutschland ist das Impfen freiwillig. Noch ist der Verlauf milde, glücklicherweise. Das kann sich aber ändern. Dann wird auch die Impfbereitschaft größer. Da bin ich sicher. Dafür treffen wir in Deutschland Vorsorge. Wichtig wird sein, dass sich die Menschen schützen, die besonders gefährdet sind. Dazu gehören neben dem Gesundheitspersonal auch chronisch Kranke und Schwangere.

Kritiker sprechen von einem Großversuch an der Bevölkerung mit nicht restlos kalkulierbarem Risiko. Ist das falsch?

Ja. Davon kann keine Rede sein. Der Impfstoff wird gerade in klinischen Tests geprüft. Das Paul-Ehrlich-Institut wird nur einen Impfstoff zulassen, der sicher und wirksam ist. Das wird nach Aussage der Fachleute bis etwa Anfang Oktober dauern. Zudem wird die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts eine entsprechende Empfehlung zum Impfen geben. Und wie schon gesagt: Jeder kann für sich selbst entscheiden.

Wenn das Virus so gefährlich ist, wie viele Experten behaupten: warum dann keine Impfpflicht?

Sie sehen an Ihren Fragen, wie die Debatte verläuft: Es reicht von der Frage, ob die Bereitstellung von Impfstoff angesichts der milden Verläufe nicht überflüssig ist, bis zu der Frage, warum es keine Impfpflicht gibt. Vorrang hat der Schutz der Bevölkerung. Eine Impfpflicht wollen wir in Deutschland nicht, niemand wird gegen seinen Willen geimpft – die Unversehrtheit des Körpers ist ein hohes Gut.

Würden Sie die Impfung allen empfehlen?

Meine Empfehlung ist, sich impfen zu lassen. Ich habe aber an alle, die gesund sind, die Bitte, nach Beginn der Impfungen noch ein bisschen zu warten. Erst soll das medizinische Schlüsselpersonal geimpft werden und die Menschen mit chronischen Erkrankungen.

Ist es sinnvoll, sich zusätzlich auch gegen die normale Influenza impfen zu lassen?

Die Empfehlung, sich gegen die saisonale Grippe impfen zulassen, ist unberührt von der neuen Influenza. Die Kassen zahlen die Impfung wie in den Vorjahren für Risikogruppen, etwa für ältere Menschen.

Sie haben sich heftig gegen den Vorschlag der Ärztekammer gewehrt, Gesundheitsleistungen nach Prioritätenlisten zu vergeben. Nun priorisieren Sie selber: Feuerwehr, medizinisches Personal und Minister werden als Erstes geimpft. Ist das gerecht?

Das eine hat mit dem anderen absolut nichts zu tun. Die Anhänger von Priorisierung in der Gesetzlichen Krankenversicherung wollen, dass Versicherte künftig von bestimmten Leistungen ausgeschlossen werden. Beim Impfen gegen die neue Grippe ist das nicht der Fall. Wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass jeder, der geimpft werden will, auch geimpft werden kann. Impfstoff steht aufgrund der Produktionsbedingungen des Herstellers nicht mit einem Schlag zur Verfügung, sondern wird schrittweise an die Länder geliefert. Daher ist es richtig, zunächst vorrangig besonders gefährdete Personen zu impfen.

Die Fragen stellte Rainer Woratschka.

Ulla Schmidt (60) ist seit 2001 Bundesgesundheitsministerin. Die SPD-Politikerin

gehört inzwischen auch zum Wahlkampfteam des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-

Walter Steinmeier

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