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Politik: Umbruch bald auch auf Zypern?

Türkei von Protesten im türkischen Teil überrascht

Straßenproteste gegen unbeliebte Herrscher gibt es in der südöstlichen Mittelmeerregion inzwischen einige. Die Türkei lobt die Umbrüche in Tunesien und Ägypten und sieht sich gern als Vorbild für deren Zukunft. Doch auf Demonstrationen, die sich Ende Januar im türkischen Teil von Zypern abspielten, reagiert sie ganz anders. „Verpisst euch“, hieß es auch dort auf den Transparenten der Protestierer, oder „Wir wollen weder euer Geld noch eure Beamten“. Ziel des Volkszorns der türkischen Zyprer waren nicht etwa die Griechen auf der anderen Seite der Grenze, sondern die Türkei selbst. Völlig überraschend bekommt Ankara Probleme mit dem türkischen Vasallenstaat auf der geteilten Mittelmeerinsel. Die Demonstrationen waren die ersten anti-türkischen Kundgebungen im türkischen Inselteil seit 1974.

Auslöser der Proteste waren Pläne der Türkei zur Kürzung ihrer Finanzhilfen für die nur von ihr selbst anerkannte „Türkische Republik Nordzypern“ (KKTC). Seit der Teilung der Insel nach einem griechischen Putsch in Nikosia und einer anschließenden Militärintervention der Türkei 1974 ist der türkische Inselsektor international isoliert, die KKTC abhängig von Ankara. Die Türkei bezahlt ein Viertel des KKTC- Staatshaushaltes.

Nun sucht die Türkei nach Möglichkeiten, die finanziellen Lasten zu minimieren. Halil Ibrahim Akca, Architekt des Sparpaketes aus Ankara, schlug unter anderem die Kürzung des traditionellen 13. Monatsgehaltes für Beamte vor. Auf Zypern wurden die Pläne zum Funken, der ein bisher übersehenes Protestpotenzial zur Explosion brachte.

Ankara reagierte erst überrascht und dann zornig. Undankbar seien die Demonstranten, schimpfte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Der Premier zog kurzerhand den türkischen Botschafter aus der KKTC ab – und ersetzte ihn durch den bei den Inseltürken verhassten Sparkommissar Akca. Eine Kampfansage.

Die türkische Regierung übersieht nach Ansicht von Beobachtern, dass es bei den Protesten keineswegs nur ums Geld geht. In die Proteste mischt sich der Wunsch vieler Zyprer nach Selbstbestimmung – und ihre Sorge, dass sie durch die Einwanderung von zehntausenden Festlandtürken seit 1974 zu Fremden im eigenen Land werden: In der KKTC leben inzwischen mehr türkische Einwanderer aus Anatolien als türkische Zyprer. Auch die rund 40 000 türkischen Soldaten, die nach wie vor in der KKTC stationiert sind, tragen dazu bei, dass die Türkei dort inzwischen oft als Kolonialmacht erlebt wird.

In der KKTC wird der Ruf laut, die Regierung im türkischen Teil von Nikosia solle die Akkreditierung des neuen türkischen Botschafters Akca verweigern – das wäre ein noch nie da gewesener Affront.

Für den 2. März planen Gewerkschaften einen Generalstreik und eine neue Massendemonstration.

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