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Umweltschutz: Klimadiplomatie in Zeitlupe

Bei der Bonner Verhandlungsrunde hat sich fast nichts bewegt. Der Chef des UN-Klimasekretariats kritisiert vor allem Industriestaaten. Sie müssten mehr Ehrgeiz entwickeln.

Berlin - Auf der Homepage des UN-Klimasekretariats tickt die Uhr: An diesem Samstag sind es noch 113 Tage bis Kopenhagen. Dort soll ein neues weltweites Klimaabkommen beschlossen werden, das der Welt einen „gefährlichen Klimawandel“ erspart. Eine Woche lang haben in Bonn 2400 Klimadiplomaten aus 180 Ländern versucht, den gordischen Knoten zu lösen – erfolglos. Der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, sagte am Freitag in Bonn: „Bei diesem Treffen ist nur begrenzter Fortschritt gemacht worden.“ Angesichts von nur noch 15 Verhandlungstagen vor dem Weltklimagipfel in Kopenhagen im Dezember müsse „das Tempo zunehmen“, forderte de Boer.

Trotz aller diplomatischen Freundlichkeit, die er als Chefklimadiplomat an den Tag legen muss, wurde de Boer bei seiner Abschlusspressekonferenz ziemlich deutlich. Den Industriestaaten gab er mit auf den Weg, dass sie mehr Ehrgeiz entwickeln müssten, „sich auf ernst zu nehmende mittelfristige Reduktionsziele“ für die Treibhausgase zu einigen. Zudem müssten die Industriestaaten „einen klaren Hinweis geben“, wie und mit wie viel Geld sie die Entwicklungsländer bei der Anpassung an bereits unabwendbare Folgen der globalen Erwärmung und beim Aufbau einer klimafreundlichen Wirtschaft unterstützen wollten. An die Adresse der Entwicklungsländer gab de Boer den Hinweis, dass sie „präziser sagen sollten, was sie wie unterstützt wissen wollen“. Die nächste Gelegenheit, den Verhandlungen die notwendigen „politischen Leitlinien“ zu geben, sei der UN-Klimagipfel am Sitz der Vereinten Nationen in New York am 22. September, zu dem UN-Generalsekretär Ban Ki Moon eingeladen hat.

Yvo de Boers Analyse ist niederschmetternd. Würde er Klartext sprechen, müsste er sagen, dass die Industriestaaten noch immer kein ernsthaftes Angebot auf den Tisch gelegt haben, wie sie das von den wichtigsten Industriestaaten (G 8) in L’Aquila vereinbarte Ziel, die globale Erwärmung auf durchschnittlich zwei Grad zu begrenzen, erreichen wollen. Außerdem sind die Industriestaaten nicht bereit, Zusagen für zusätzliches Geld oder einen Technologietransfer zu machen. Dafür verweigern die Entwicklungsländer eine Antwort auf die Frage, wofür sie das Geld überhaupt haben wollen. Im Übrigen verweisen sie, durchaus zu Recht, darauf, dass die Industriestaaten das Problem verursacht hätten, und sie nun auch erst mal am Zug seien. Der chinesische Verhandlungsführer Yu Qingtai sagte der Nachrichtenagentur Reuters: „Es ist beunruhigend, in welchem Maß die Industriestaaten versuchen, die Last auf die Entwicklungsländer abzuschieben.“ Der indische Klimabotschafter Shyam Saran meinte gar, viele Entwicklungsländer leisteten bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen mehr als die meisten Industriestaaten.

So weit würde Martin Kaiser von Greenpeace zwar nicht gehen. Aber er ist sehr enttäuscht von den unzureichenden mittelfristigen Klimaschutzzielen, die die Industriestaaten bisher auf den Tisch gelegt haben. Er warf den USA vor, ein verbindliches Klimaabkommen in Kopenhagen verhindern zu wollen. Die amerikanische Delegation habe in Bonn vorgeschlagen, lediglich die freiwillig formulierten Emissionsziele aller Staaten zusammenzuführen „und es dabei zu belassen“. Was Kaiser besonders fehlt, ist Führungsstärke. Die Europäische Union, die als einzige Verhandlungspartei bisher ein ernst zu nehmendes Reduktionsziel vorgelegt hat, „könnte führen, sie tut es aber nicht“, beklagte er. Antje von Broock vom BUND spricht von einem „beinahe völligen Stillstand“ der Verhandlungen. Christoph Bals von Germanwatch sieht den Prozess in einer „gefährlichen Phase“. Er wirft den Ölstaaten vor, sich destruktiv zu verhalten und so denen in die Hände zu spielen, „die kein Abkommen wollen, wie die USA, Russland oder Kanada“. Dagmar Dehmer

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