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Mädchen werden von Bildungsförderungsmaßnahmen oft benachteiligt, kritisiert Oxfam (das Archivfoto zeigt eine Schülerin in Ouagadougou/Burkina Faso)

© AFP

UN-Bildungsziele: Wie die Weltbank Mädchen benachteiligt

Die UN reden nicht nur über Klima, sondern auch über Bildung. Auch da geht es um Gerechtigkeit. Darum: Schluss mit der Förderung für Privatschulen! Ein Gastbeitrag.

- Marion Lieser ist geschäftsführende Vorstandsvorsitzende der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam

Elternabende sind lästig. Wir diskutieren stundenlang über Lehrpläne und Fehlzeiten, versuchen einen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen des eigenen Kindes und denen der Klasse hinzubekommen, irgendwer ist immer dagegen, und irgendwer braucht immer eine Extrawurst. Und es steht die Frage im Raum: Warum tun wir uns das an?

Die Antwort ist: für die Zukunft unserer Kinder. Wir wollen, dass sie die besten Chancen bekommen, und das heißt: die beste Bildung.

Weltweit wollen Eltern dasselbe. Das hat sich auch in der Kinderrechtskonvention niedergeschlagen – und in den Nachhaltigen Entwicklungszielen der UN. Das Protokoll des vielleicht größten Elternabends der Welt schreibt fest: Bis zum Jahr 2030 sollen weltweit alle Kinder Schulen besuchen – nicht nur lesen und schreiben lernen, sondern Zugang zu Bildung jenseits der Grundschule haben, um eine Ausbildung abzuschließen oder gar zu studieren. Viele weitere Entwicklungsziele hängen davon ab, ob dieses Bildungsziel erreicht wird.

Die Weltbank fördert private Bildungsanbieter - ein Fehler!

Eine Zwischenbewertung zeigt: Zwischen Ziel und Realität ist noch viel Luft. Derzeit ist der Schulbesuch für 258 Millionen Kinder und Jugendliche nur ein Traum. Wenn die Einschulungsraten auf dem aktuellen Niveau bleiben, werden es 2030 noch immer 225 Millionen sein.

Die Weltbank versucht, dem Problem mit der Förderung kommerzieller und gewinnorientierter Bildungsanbieter beizukommen. Das ist ein Fehler. Unsere Untersuchungen zeigen, dass öffentliche Ausgaben für Bildung pro Kind oft ein Vielfaches des durchschnittlichen Haushaltseinkommens sozial schwacher Familien betragen. In Kolumbien etwa sind sie dreimal so hoch. Der Umkehrschluss: Aus eigenen Mitteln könnten diese Familien angemessene Bildung für ihre Kinder schlicht nicht finanzieren, auch nicht zu vermeintlich geringen Gebühren kommerzieller Bildungsträger.

Besucht das Kind einer armen Familie im globalen Süden die Schule, ist dies schon deshalb eine Last für die Eltern, weil es nicht mehr bei der Arbeit helfen kann. Dafür auch noch zu bezahlen, übersteigt die Mittel vieler Familien. Und wenn gespart wird, dann bei Mädchen. Die Folgen mangelnder Bildung für Mädchen sind bekannt: Frühehen, wenig Wissen um Empfängnisverhütung, hohe Kindersterblichkeit, ökonomische Abhängigkeiten, kaum Wissen um die eigenen Rechte.

Privatschulen verdrängen gemeinnützige

Zudem gibt es nicht überall definierte Standards für kommerzielle Bildungsanbieter wie in Deutschland, wo Privatschulen ihre Zusatzkosten mit Zusatzleistungen rechtfertigen müssen. In armen Länder sind Schulen gewinnorientierter Unternehmen oft die einzigen – oder sie verdrängen die staatlichen Angebote. Die Profitorientierung ist spürbar: Es wird an der Qualifikation und der Bezahlung der Lehrer*innen gespart, was dazu führen kann, dass Lehrer*innen in Crash–Kursen schnell und ohne Qualitätskontrolle ausgebildet werden.

Ich habe selbst ansehen müssen, wie solche Lehrer*innen dann entsprechend schlechten Unterricht abhielten, monoton auswendig lernen ließen und häufig zum in der Ecke bereitstehenden Rohrstock griffen. Auch werden Unterrichtsinhalte in den USA oder in Europa entwickelt und nicht an den jeweiligen kulturellen Hintergrund angepasst. Die Klassen sind überfüllt. Kinder mit besonderen Bedürfnissen werden meist gar nicht in diese Schulen aufgenommen.

Die Bundesregierung ist gefragt

Der weltgrößte Fonds für Bildungsfinanzierung, die Global Partnership for Education (GPE), hat deshalb beschlossen, Privatschulen und kommerziellen Bildungsanbietern keine Gelder mehr zur Verfügung zu stellen. Dieser Beschluss ist ein bildungspolitischer Meilenstein, der allerdings von wichtigen Geberinstitutionen wie der Weltbank bisher nicht mitgetragen wird. Umso wichtiger, dass sich die Staats- und Regierungsoberhäupter bei ihrem Gipfel in New York klar und deutlich zur Position der GPE bekennen.

Dort findet der nächste weltweite Elternabend statt. Es stünde den reichen Ländern gut an, die Klassenkasse aufzufüllen. Und neben dem wieviel ist auch das wohin entscheidend: Wenn die Bundesregierung die Ungleichheitskrise in den Griff bekommen will, muss sie weltweit kommerziellen Bildungsanbietern eine klare Absage erteilen und darauf hinwirken, dass das auch die Weltbank so hält.

An den Antworten auf die Bildungsfrage erkennen wir, wie ernst es die Welt mit den Nachhaltigen Entwicklungszielen meint.

Marion Lieser

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