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Hunger

© dpa

UN-Ernährungsgipfel: „Hunger erzeugt Wut“

UN-Generalsekretär eröffnet Treffen in Rom mit dramatischem Appell an die internationale Gemeinschaft. Das Geld für die Programme fließt nur spärlich. Fast 900 Millionen Menschen leiden weltweit Hunger.

„Es gibt nichts Entwürdigenderes, als Hunger, der von Menschenhand gemacht ist. Er erzeugt Wut, soziale Ungleichheit, Krankheit und wirtschaftlichen Niedergang.“ Drastische Sätze wie diese von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon haben den ersten Tag des Welt-Ernährungsgipfels in Rom geprägt. Jacques Diouf als Generalsekretär der Welternährungsorganisation FAO erinnerte die reichen Länder an ihre – nicht eingehaltenen – Versprechen, etwa jenes, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe bereitzustellen.

Ein effektiver Kampf gegen die Hungerkrise kostet die Weltgemeinschaft Geld. Ban Ki Moon geht von 15 bis 20 Milliarden US-Dollar jährlich aus, Jacques Diouf von 30 Milliarden für eine ausreichende Versorgung der Menschen. Ban stellte klar, dass die Produktion von Lebensmitteln bis 2030 um die Hälfte gesteigert werde müsste. Anderenfalls könnte die Nachfrage nicht befriedigt werden.

Der UN-Chef präsentierte eine Strategie, um die Lebensmittelkrise in den Griff zu bekommen: Die Vorschläge – bisher nur Empfehlungen – reichen von einer Erhöhung der humanitären Nothilfe über eine verbesserte Infrastruktur in Entwicklungsländern bis hin zur weitergehenden Abschaffung von Handelshemmnissen. „Wir haben eine historische Chance, die Landwirtschaft wiederzubeleben, besonders in Ländern mit niedrigen Produktivitätssteigerungen“, sagte der UN-Chef. Diplomaten warnen jedoch, dass der Gipfel wahrscheinlich keine großen verpflichtenden Beschlüsse bringen werde.Schon jetzt tun die Organisationen sich schwer damit, das nötige Geld zu bekommen: Das Welternährungsprogramm musste die internationale Gemeinschaft monatelang um einen Extrabetrag von 755 Millionen US-Dollar bitten – und erst eine große Überweisung aus Saudi-Arabien schloss die Finanzlücke zur Bekämpfung der größten Not in Krisengebieten. Die Schwesterorganisation FAO hingegen hat die 1,7 Milliarden US-Dollar zur Beschaffung von Saatgut und landwirtschaftlichen Hilfsgütern für arme Länder immer noch nicht zusammen.

Ohne sofortige Aktionen aber droht sich das Heer der knapp 900 Millionen hungernden Menschen zu vergrößern. Und ohne sofortiges Handeln wird die Teuerung der Nahrung – durchschnittlich mehr als 50 Prozent im vergangenen Jahr – die wirtschaftliche Entwicklung und die politische Stabilität von immer mehr Ländern gefährden. Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, macht den starken Anstieg der Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel für den Hungertod von Millionen Menschen verantwortlich. „Wir stehen vor einer Katastrophe“, sagte er am Dienstag dem Hessischen Rundfunk in Frankfurt.

Der Kongress findet vor dem Hintergrund dramatischer aktueller Entwicklungen statt. Gerade die ärmsten Länder, die auf Lebensmittelimporte angewiesen sind, sind die am meisten von den explodierenden Preisen betroffenen. Nach Zahlen, die am Dienstag vorgelegt wurden, sind innerhalb eines Jahres der Reis um 74 Prozent, Soja um 87 Prozent und Weizen um bis zu 170 Prozent teurer geworden. Hungerrevolten, wie sie in einzelnen Ländern bereits begonnen hätten, nehmen zu. Und die Lage wird immer drückender: Auch die Weltbevölkerung, die „Zahl der Esser“, wachse ja weiter, warnen UN und Weltbank. Für die Eindämmung des rasanten Bevölkerungswachstums müsste die internationale Gemeinschaft immense Beträge aufbringen. Nach Auskunft der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung kosten Verhütungsmittel für rund 200 Millionen Frauen in den Entwicklungsländern rund 3,9 Milliarden US-Dollar. Der Anstieg der Weltbevölkerung könnte durch Verhütungsmittel um 20 Prozent verringert werden. „Wenn wir die Ernährungskrise in den Griff bekommen wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass ungewollte Schwangerschaften vermieden werden“, unterstreicht DSW-Geschäftsführerin Renate Bähr. Ohne Investitionen aber werden im Jahr 2050 rund 9,3 Milliarden Menschen um das tägliche Brot kämpfen. Heute sind es 6,7 Milliarden.

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