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Schwierige Verhältnisse. In aktuellen Umfragen kommt die CDU in Sachsen nur auf 29 Prozent und hätte mit der SPD keine Mehrheit mehr.

© Arno Burgi/picture alliance / dpa

Regieren in Sachsen: Union hält Kooperation mit AfD für möglich

Der neue CDU-Fraktionsvorsitzende in Sachsen will eine Koalition mit der AfD nicht ausschließen. Doch die Berliner Zentrale lässt wissen, das gehe nicht.

Von Antje Sirleschtov

Umfragen sind bekanntlich keine Wahlergebnisse und bis zur Landtagswahl in Sachsen ist auch noch ein ganzes Jahr Zeit. Aber der Blick auf die aktuellen Umfragewerte verdeutlicht das Problem der sächsischen CDU schon heute: Mit noch nicht einmal 29 Prozent hätte die Partei zwar klar den Auftrag zur Regierungsbildung. Die zum Regieren notwendige Mehrheit könnte sie möglicherweise nur mit der AfD erzielen. Denn die Rechtspopulisten kommen auf 23 bis 25 Prozent, während alle anderen Parteien weit abgeschlagen sind und allein zur Mehrheitsbildung nicht taugen.

Die AfD aber in eine Koalition holen? Das hat die CDU eigentlich klar ausgeschlossen. Nicht nur in Sachsen, dessen Ministerpräsident und CDU-Vorsitzender Michael Kretschmer erst vor drei Wochen im Interview mit dem „Tagesspiegel“ sagte: Wer „offen ist für rechtes Gedankengut und sich in Demonstrationszügen neben verurteilte Straftäter und offen Rechtsradikale stellt“, mit dem werde er nicht zusammenarbeiten.

Hartnäckige Weigerung

Auch das Konrad-Adenauer-Haus, die CDU-Zentrale, ließ am Donnerstag erneut wissen: Das geht gar nicht. „Es wird keine Zusammenarbeit oder Koalition mit der AfD geben“, sagte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das sei Beschlusslage in Präsidium und Bundesvorstand der CDU.

In Sachsen jedoch könnte es zu einem Tabubruch kommen, trotz aller Beteuerungen. Denn dort gibt es einige CDU-Politiker, die von den klaren Abgrenzungsbeschlüssen und -beteuerungen ihrer Parteioberen nicht viel halten. Und einer von ihnen ist gerade an die Spitze der Landtagsfraktion gewählt worden: Christian Hartmann. Am Dienstag kürte die Fraktion Hartmann zu ihrem Vorsitzenden, obwohl Landes- und Regierungschef Kretschmer einen anderen CDU-Mann vorgeschlagen hatte. Tags darauf erklärte Hartmann in der Causa AfD, die Partei sei im anstehenden Wahljahr der „Hauptgegner“ der CDU, den man „inhaltlich stellen“ müsse. In zwei Interviews jedoch weigerte er sich danach hartnäckig, sich auf ein Nein zu einer Koalition mit der AfD festzulegen.

„Das werden Sie jetzt von mir in dieser Form auch nicht hören“, sagte er im MDR Sachsen auf eine entsprechende Frage. In der „Sächsischen Zeitung“ bekannte er, eine Koalition mit der AfD sei zwar „nicht das Ziel“. Allerdings müsse man „nach der Wahl souverän mit dem Ergebnis umgehen“ und „vernünftige“ Beschlüsse fassen. Will heißen: Wenn es ohne die AfD rechnerisch nicht geht, muss man neu nachdenken.

Differenz mit dem Landeschef

Hartmanns Fraktion dürfte die Offenheit ihres neuen Vorsitzenden genauso zur Kenntnis genommen haben wie die offensichtliche Differenz zum Landesvorsitzenden Kretschmer. Zu einer offenen Debatte, womöglich als Signal, dass Hartmanns Haltung zur AfD nicht von allen Fraktionsmitgliedern geteilt wird, kam es bis jetzt jedoch nicht. Genauso wenig übrigens wie vor zwei Jahren, als die sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann schon einmal davon sprach, dass man sich unvoreingenommen mit CDU-AfD-Koalitionen befassen müsse.

Auch damals schwieg die Fraktion im Landtag und ließ die Deutung zu, dass Bellmann für einen beachtlichen Teil der sächsischen CDU spricht. Stattdessen Achselzucken bei den Christdemokraten: Was soll man tun gegen solche Leute, lautet die lakonische Frage.

Keine wirkliche Mehrheiten

Das Beispiel Erlangen scheint in Sachsen keine Nachahmerimpulse auszulösen. Dort war ein Stadtratsabgeordneter der CSU in den vergangenen Monaten offen für eine Koalition mit der AfD eingetreten, wenn seine Partei Mitte Oktober die absolute Mehrheit bei den bayerischen Landtagswahlen verliert. Daraufhin wurde er mit einem Mehrheitsbeschluss von den Fraktionsmitgliedern vor die Tür gesetzt. Mit dem Argument: Wenn die CSU in Koalitionsfragen zur AfD keine klare und unmissverständliche Haltung hat, dann nutzt das der AfD und schadet der eigenen Partei.

Nun scheint es auch in der sächsischen CDU keine wirklichen Mehrheiten für das Koalieren mit der AfD zu geben. Auch der Landesgruppenchef der Sachsen im Bundestag, Marco Wanderwitz, beteuerte am Donnerstag: „In der Landesgruppe gibt es eine übergroße Mehrheit, die sich definitiv gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen hat.“ Außerdem weist Wanderwitz darauf hin, dass im Zweifelsfall nicht die Landtagsfraktion, sondern die Landespartei über Koalitionsfragen entscheidet und die Position des Landesvorsitzenden sei ja klar.

Verschiebungen möglich

Allerdings sind schon bei der Wahl des Fraktionschefs in Sachsen Zweifel daran aufgekommen, wie klar die CDU-Landtagsfraktion hinter ihrem Landesvorsitzenden steht. Nicht ausgeschlossen also, dass sich die Kräfteverhältnisse in Sachsen nach der Landtagswahl so verschieben, dass es doch zu einer Zusammenarbeit mit der AfD kommt, wenn ohne sie keine stabile Koalition gebildet werden kann.

Die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alice Weidel, hat die Unklarheit des neuen Fraktionschefs in Dresden gleich aufgenommen und ein unmissverständliches Angebot gemacht. Die Entscheidung über eine Zusammenarbeit, sagte sie dem „Focus“, liege bei der Landespartei. Die AfD sei „angetreten, um zu gestalten, und wir haben nicht mehr viel Zeit, das Ruder herumzureißen“.

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