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Große Koalition: "Unions-Politik ist unsolide"

Unmittelbar vor dem Koalitionsausschuss an diesem Montag hat sich der Streit zwischen SPD und Union über die zentralen Reformvorhaben Kinderbetreuung und Ausländer-Bleiberecht deutlich verschärft.

Berlin - Bei der Sitzung der Koalitionsspitze wird daher in diesen beiden Punkten ebenso wenig mit einem Durchbruch gerechnet wie beim Thema Mindestlöhne insgesamt. Relativ unstrittig in der großen Koalition in Berlin ist die Unternehmenssteuerreform, doch hier gibt es Nachverhandlungswünsche der SPD-Linken.

Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) und SPD-Chef Kurt Beck heizten am Wochenende mit massiver Kritik am Bündnispartner CDU/CSU die Stimmung an. Im Magazin "Der Spiegel" warf der Arbeitsminister der Union vor, keine Finanzierung für das geplante Kinderbetreuungs-Programm vorzulegen und den Kompromiss zum Ausländer-Bleiberecht doch wieder aufzuschnüren. "Die Union, die gern von Haushaltsdisziplin redet, ist bisher jede Auskunft schuldig geblieben, wie die Vorschläge ihrer Familienministerin bezahlt werden können", schrieb Beck in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

Müntefering kritisiert Union

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wies die Angriffe zurück. Der Koalitionspartner solle "konstruktiv und unideologisch" daran mitarbeiten, dass der Vorstoß von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) umgesetzt werde. Im Koalitionsausschuss könne es bei dieser Frage lediglich um "die Vereinbarung eines Verfahrens" gehen, sagte Pofalla. "Zunächst sind Gespräche mit den Ländern und Kommunen notwendig. Erst dann kann ein seriöser Finanzierungsvorschlag unterbreitet werden."

Müntefering kritisierte: "Schon bei der Gesundheitsreform hat die Union mehr Haushaltsmittel für die Krankenkassen verlangt, ohne dass sie sagen wollte, woher das Geld dafür kommt... Jetzt will sie diese unsolide Form, Politik zu betreiben, offenbar bei der Kinderbetreuung wiederholen." Die SPD werde darauf drängen, dass die Regierung die Frage innerhalb der nächsten vier Wochen kläre. "Alles andere ist unseriös." CSU-Chef Edmund Stoiber schlug in der "Bild am Sonntag" vor, für neue Plätze befristet bis zum Jahr 2010 einen halben Mehrwertsteuerpunkt zweckgebunden einzusetzen.

Flächendeckender Mindestlohn

Müntefering warnte die Union davor, den Koalitionskompromiss zum Aufenthaltsrecht für lange im Land lebende Ausländer aufzuschnüren, wie es von der CSU verlangt wird. "Darüber verhandele ich nicht mehr. Das kommt so ins Kabinett", sagte er. "Dieses Gesetz ist Sache des Bundes. Da haben die Länder keine Möglichkeit reinzuregieren." Vorbehalte gegen das Vorhaben kommen inzwischen nicht mehr nur aus Bayern, sondern auch aus Niedersachsen und Baden-Württemberg.

Einen flächendeckenden Mindestlohn wird es wegen der Union nicht geben. Müntefering setzte bisher auf die Einführung von Mindestlöhnen auf dem Wege des so genannten Entsendegesetzes. Auf diese Weise sind bereits für das Bau- und Gebäudereinigerhandwerk gesetzliche Mindestlöhne vereinbart worden. Nun schlug Müntefering dafür auch Fleischer, Friseure, Land- und Forstwirte, den Einzelhandel, Hotels und Gaststätten sowie die Zeitarbeitsbranche, das Bewachungsgewerbe und Postdienste vor. Dies ist aber in der Koalition ebenso strittig wie die bisherigen Kombilohnmodelle.

Müntefering beklagte die Machtverteilung in der Union und die Rolle von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Vor allem die CSU versuche "immer wieder, Frau Merkel auf die Rolle der Parteivorsitzenden herunterzudrücken. Das ist ein strategisches Problem." Vielleicht werde dies aber in der Zeit nach Stoiber möglich. Pofalla entgegnete: "Die SPD ist sauer, dass ihr Versuch, in der Familienpolitik wieder aus der Defensive zu kommen, nach hinten losgegangen ist. Ihre Vorschläge zur Finanzierung der Kinderbetreuung stoßen auf eine breite Front der Ablehnung." (tso/dpa)

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