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Politik: „Unser Land reicht uns“

Türkischer Premier bleibt in Zypern-Frage stur – beruhigt aber die Europäer

„Der Weg nach Deutschland ist eröffnet, jetzt kommt es auf die Griechen an“ – eigentlich hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seine Worte am Donnerstag bei Tee und Gebäck in seiner vornehmen Residenz in Ankarra auf die Fußballweltmeisterschaft im kommenden Jahr in Deutschland gemünzt. Die Türkei ist qualifiziert und spielt in einer Gruppe mit den Griechen. Doch drei Wochen vor Beginn der formellen Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union (EU) kann man seine nicht ganz zufällige Äußerung irgendwie auch auf den neuen Streit mit der EU beziehen: Wir haben die Hausaufgaben alle gemacht, jetzt sind die anderen dran. Und die anderen, das sind derzeit vor allem die griechischen Zyprioten, und die EU. Das ist die trotzige Botschaft, die Erdogan am Donnerstag nach Europa schickt.

Die Beitrittsverhandlungen beginnen am 3. Oktober. Doch schon die Vorverhandlungen der EU-Mitgliedstaaten untereinander gestalten sich schwierig. Bis in den Abend hatte der Rat der ständigen Vertreter in Brüssel am Mittwoch um Formulierungen für den Verhandlungsrahmen gestritten. Ergebnislos. So steht die Einigung darüber noch aus, wie strikt und bis wann die EU von der Türkei die Anerkennung der Republik Zypern und die Öffnung der Häfen und Flughäfen für den zypriotischen Handel verlangt. In Ankarra mutmaßt man zudem, dass einige Staaten wie Österreich bis zuletzt versuchen, die auch von Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) favorisierte privilegierte Partnerschaft in den Verhandlungsrahmen hineinzuformulieren.

Doch in der Zypern-Frage zeigt Erdogan auch jetzt keinerlei Kompromissbereitschaft. Zypern sei keine Frage des türkischen Beitritts. „In der Zypern-Frage braucht es zuerst eine politische Lösung. Und diese Lösung muss von den Vereinten Nationen kommen“, wiegelt Erdogan ab. Die Euopäische Union sei hier nicht gefragt. Deshalb habe auch der türkische Beitritt nichts mit Zypern zu tun. „Das ist eine ganz andere Sache“, sagteErdogan leicht genervt. Immerhin postuliere die EU, dass kein Mitgliedsland eintreten könne, das Probleme an seinen Grenzen habe. „Wie kann man dann ein Land, das mittendrin eine Grenze hat, sogar eine UN- Zone, als Mitglied aufnehmen?“

Erdogan sieht daher auch keine Probleme oder Verzögerungen beim Beginn der Gespräche. Sollte es – immerhin ein kleines Zugeständnis an die real durchaus schwierige Gesprächssituation – noch inhaltliche Probleme geben, werde man das im Lauf der Verhandlungen lösen. „Manche der Kapitel, die zu besprechen sind, könnten vielleicht später gemacht werden“, meint Erdogan. Doch eigentlich sehe er hierfür keinen Grund. Den sehen auch die USA nicht, die die EU am Donnerstag noch einmal zu einem pünktlichen Beginn der Verhandlungen mit der Türkei aufgerufen haben.

In den innerdeutschen Diskurs zur Türkei um die privilegierte Partnerschaft von Angela Merkel will Erdogan sich nicht einmischen. Nur soviel könne er sagen: „Leider können wir hier nicht verstehen, warum diese Partei diese Position bezieht.“ Verhandelt werde um eine Mitgliedschaft. Die Marschroute sei seit langem beschlossen. Klarer schießt Erdogan in Richtung Österreich. Mit einem ungewohnten Lächeln im strengen Gesicht versichert er: „Wir werden nicht vor Wien stehen“, wie einst das Osmanische Reich. „Unser Land reicht uns.“

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