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Leidensfähig: Hertha-Fans bei der Mitgliederversammlung.

© dpa

Chaostage bei Hertha BSC: Unvollkommen wie die Stadt

Der Hauptstadtverein will einfach kein "Big Club" werden - seine Fans lieben ihn dafür erst recht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

HaHoHe – da ist nix okeh, bei Hertha BSC. Verzeihung für den Reim, bei dem es einen schüttelt. Aber es stimmt doch! Hertha, die alte Dame: Immer wieder macht sie Sorgen – und welche.

Da können sie im Verein Brasilianer kaufen, soviel sie wollen; da können sie mehrere hundert Millionen an Kapital einsetzen, um endlich nach vorne zu kommen, ein „Big Club“ zu werden, wie es werbend in einer Vereinsbroschüre für Investoren hieß – und es wird trotzdem nichts. Das aber zuverlässig.

Hertha ist nicht der FC Chelsea oder Arsenal in London. Oder Paris Saint Germain. Oder Real Madrid. So wird der Club auch nicht. Denn Hertha ist eine eigene Kategorie Hauptstadtverein.

Provinzieller als bei der Mitgliederversammlung geht es nicht

Die jüngste Mitgliederversammlung war in der Hinsicht auch eine Wucht: Die Abwahl-Anträge fürs Präsidium, der Rücktritt auch des Interimspräsidenten, nachdem zwei Drittel der Mitglieder gegen ihn gestimmt hatten – so etwas hätte zur alten Satiresendung „Notizen aus der Provinz“ gepasst.

Wie meinte Felix Magath, Hertha-Retter in der Not, vor seinem Abschied? Dass das Problem weniger im Sportlichen als in der Atmosphäre, im Umgang miteinander gelegen habe. „Das Umfeld war nicht leistungsfördernd.“ Für Magath hat die Entwicklung bei Hertha auch mit der Stadt zu tun, er sieht da offenkundig Ähnlichkeiten.

Genau, das ist es! Hertha ist Berlin, das alte West-Berlin. Ist im Wesenskern – oder Markenkern – wie die Stadt und ihre Regierungen: unvollkommen, aber darin vollkommen. Berlins Ausstrahlung, sagen wir mal so, besteht doch auch darin, dass so wenig funktioniert. Und wenn’s denn funktionierte – wäre es dann noch Berlin?

So ist Hertha: Die Fans kommen, treu, und es sind nicht wenige, 50000, 70000. Mögen sie auch leiden: Sie mögen es. Hertha hat nur müden Charme? Von wegen, der macht die Fans erst munter. Die würden andernfalls, ohne jede Verwerfung, ihren Verein doch gar nicht mehr wiedererkennen. Und wenn sie nichts mehr zu meckern hätten, wäre es auch nicht recht.

So gesehen wird vielleicht eher noch der 1. FC Union der „Big City Club“. Union konzentriert sich eisern aufs Sportliche, macht sich auf seine Weise unabhängig von den Entwicklungen der Stadt. (Hat übrigens auch Magath gesagt.) Erste Liga, oder?

HaHoHe, ist ja trotzdem schon okeh. Denn hier kann jeder nach seiner Façon selig werden. Jawohl, selig. Auch mit Hertha. Dit is doch Berlin.

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