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Urteil im Mubarak-Prozess: Pharao hinter Gittern

Ägyptens Ex-Machthaber Hosni Mubarak wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Der "Jahrhundertprozess" im Land am Nil dürfte aber wohl in Berufung gehen.

Seine Gegner nannten ihn „Pharao“, weil er ihnen so mächtig und ungerecht erschien wie die Herrscher des alten Ägyptens. Am gestrigen Samstag nun hat Richter Ahmed Refaat das Urteil im Prozess gegen Ex-Präsident Hosni Mubarak gesprochen. Den Tod durch Erhängen für Mubarak, nichts weniger hatten sich viele Ägypter erhofft. Der Strick war zu einem verbreiteten Symbol für die Abrechnung mit dem alten System geworden. Am Ende des „Jahrhundertprozesses“, dessen Urteilsverkündung live im Staatsfernsehen übertragen wurde, stand am Samstag dann aber eine lebenslängliche Gefängnisstrafe für den Ex-Präsidenten und seinen Innenminister Habib al Adli für ihre Mitschuld am Tod von mehr als 800 Menschen während der Revolution des vergangenen Jahres.

Sechs hochrangige Offiziere des Innenministeriums wurden aus Mangel an Beweisen ebenso freigesprochen wie Mubaraks Söhne Alaa und Gamal und ein Geschäftsmann in Abwesenheit. Die ihnen zur Last gelegten Korruptionsdelikte waren verjährt. Gegen die Urteile kann beim Kassationsgericht noch Berufung eingelegt werden. Erst vor wenigen Tagen wurde gegen die Mubarak-Söhne ein neues Verfahren wegen Börsenmanipulation eingeleitet, deshalb bleiben sie in Haft.

Der 84-jährige gestürzte Ex-Präsident lag wie bei den 49 vergangenen Verhandlungstagen auf einem Krankenbett in einem vergitterten Angeklagtenkäfig. Das Urteil nahmen er und seine beiden Söhne ohne sichtbare Regung hin. Das Gericht unter dem Vorsitz von Ahmed Rifaat tagte in der Polizeiakademie am Stadtrand, wohin Mubarak aus dem nahe gelegenen Krankenhaus mit dem Hubschrauber gebracht worden war. Es galt die höchste Sicherheitsstufe. Mehr als 10 000 Sicherheitskräfte waren aufgeboten, mehr als bei Prozessbeginn im vergangenen August. Nach der Urteilsverkündung kam es im Gerichtssaal zuTumulten unter den Anwälten der Opfer. Einige schrien nach der Todesstrafe, andere nach einer Säuberung der Justiz. Ihr Ärger galt dem Freispruch der hohen Offiziere. Die Staatsanwaltschaft hatte sich schon während des Prozesses beklagt, dass ihre Arbeit behindert worden sei. Dem Richter reichten deshalb die vorgelegten Beweise für eine Verurteilung nicht aus. Es gelang der Anklage nicht, eine eindeutige Befehlskette herzustellen. Mubarak und Adli wurden nicht dafür verurteilt, den Einsatz von scharfer Munition gegen Demonstranten angeordnet zu haben, sondern dafür, dass sie als oberste politische Verantwortliche diese Entwicklung nicht verhindert hatten. Deshalb lautete das Urteil auf lebenslange Haft, deshalb wurde keine Todesstrafe verhängt. Seine Strafe muss Mubarak nun im Krankenhaus des Tora-Gefängnisses absitzen. Dort sei er zunächst auf die Intensivstation gebracht worden, weil er eine „gesundheitliche Krise“ erlitten habe, hieß es aus Justizkreisen. Dem staatlichen Internetfernsehsender Nile News zufolge hatte Mubarak einen Herzinfarkt. Das wurde jedoch zunächst nicht von unabhängiger Seite bestätigt.

Mohammed Mursi, der Präsidentschaftskandidat der Muslimbrüder, twitterte, der Prozess sei eine Farce gewesen. Sein Gegenkandidat aus dem alten Regime, Ahmed Schafik befand, das Urteil beweise, dass jedermann in Ägypten Rechenschaft ablegen müsse. Die am 16. und 17. Juni anstehende Stichwahl um das Präsidentenamt zwischen Schafik und Mursi hat im Vorfeld der Urteilsverkündung die Spannungen zwischen den politischen Gruppen weiter angeheizt.

Richter Rifaat sagte, er habe ein „ruhiges Gewissen“, was sein Urteil angehe. Die Amtszeit Mubaraks zeichnete er mit düsteren Worten. Er sprach über die Armut der Bevölkerung und würdigte die Demonstranten, die sich gegen Mubaraks Herrschaft aufgelehnt hatten. „Sie gingen friedlich zum Tahrir-Platz und verlangten lediglich Gerechtigkeit, Freiheit, Demokratie“, sagte er.

Nach der Verurteilung kam es in mehreren Städten zu Protestdemonstrationen und Auseinandersetzungen von Anhängern und Gegnern. Die meisten Demonstranten in Kairo, Alexandria und Suez kritisierten, dass die sechs hochrangigen Sicherheitsbeamten nicht bestraft wurden.

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