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Comeback mit 78: Nancy Pelosi könnte erneut Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses werden.

© J. Scott Applewhite/AP/dpa

US-Repräsentantenhaus: Demokraten nominieren Nancy Pelosi für Parlamentsvorsitz

Sie steht seit 16 Jahren an der Spitze ihrer Fraktion: Nancy Pelosi könnte mit 78 Jahren erneut das dritthöchste Amt der USA erobern.

Nancy Pelosi hat schon einiges hinter sich. Die 78-Jährige ist seit 37 Jahren im politischen Geschäft und lange schon in Führungsjobs im US-Kongress. Die Frontfrau der Demokraten weiß, Kritik abzuwehren, Mehrheiten zu organisieren und Abweichler einzufangen. Das hat sie nun einmal mehr bewiesen: Nach einer internen Revolte nominierten die oppositionellen Demokraten Pelosi am Mittwoch als Kandidatin für das einflussreiche Amt als Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses. Die eigentliche Wahl folgt im Januar.

Drei Wochen nach ihrem Teilsieg bei den US-Kongresswahlen bekam die 78-Jährige bei einer geheimen Abstimmung 203 Stimmen, 32 Parteivertreter votierten gegen sie. Sollte Pelosi im Januar vom Plenum der Kongresskammer gewählt werden, würde sie zur mächtigsten Gegenspielerin von Präsident Donald Trump in Washington.

Pelosi war ab 2007 die erste "Madam Speaker"

Bei den Kongresswahlen am 6. November hatten die Demokraten rund 40 Sitze im Repräsentantenhaus hinzugewonnen und damit Trumps Republikanern ihre Mehrheit entrissen. Im Senat - der anderen Kongresskammer - konnten die Republikaner hingegen ihre knappe Mehrheit leicht ausbauen.

Pelosi hatte den als "Speaker" ("Sprecher") bezeichneten Vorsitzendenposten im Repräsentantenhaus bereits von 2007 bis 2011 inne - als erste Frau in der US-Geschichte. Es handelt sich nach Präsident und Vizepräsident um das dritthöchste Amt im Staat und fällt dem Anführer der Mehrheitsfraktion zu.

Als die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren, wurde sie wieder Minderheitsführerin ihrer Partei. Und in dieser Rolle führte sie die Demokraten bei der Kongresswahl Anfang November gerade erst zurück zu einer Mehrheit dort. Pelosi reklamiert einen Teil des Wahlerfolgs für sich und erhob direkt nach der Wahl Anspruch auf das wichtigste Amt im US-Kongress.

Doch einige Abgeordnete aus den eigenen Reihen sprachen sich gegen sie aus, riefen nach Veränderung und Verjüngung. Sie forderten, Pelosi solle nach mehr als 30 Jahren im Kongress und 16 Jahren an der Spitze ihrer Fraktion Platz machen für jemand Jüngeren. Mit ihren 78 Jahren steht Pelosi nicht gerade für den Aufbruch, nach dem sich viele Demokraten sehnen. Kritiker sehen sie als Teil des Establishments, als Vertreterin der alten Garde.

Innerparteiliche Revolte abgewendet

Doch Pelosi ließ sich von der Revolte nicht stoppen. Ihren Kritikern entgegnete sie beharrlich, sie sei am besten geeignet - und es gebe auch niemand anderen für den Job. Pelosi organisierte die eigenen Truppen, ließ jeden Tag aufs Neue prominente Fürsprecher auftreten. Und: Sie charmierte eine mögliche Konkurrentin aus dem Rennen.

Die afroamerikanische Abgeordnete Marcia Fudge aus Ohio hatte Ambitionen auf das Sprecher-Amt angemeldet. Pelosi traf sich mit Fudge, sagte ihr mehr Mitsprache in der Fraktion zu, gab ihr einen Posten - und bewegte sie so, auf eine Kandidatur zu verzichten. Auch andere Kritiker beschwichtigte Pelosi auf ähnliche Weise. Eine Gegenkandidatur gab es am Ende nicht.

Pelosi zeigte sich "stolz" auf ihre Nominierung. Trotz der "Abweichler" rechne sie mit einem "starken Votum" bei der endgültigen Entscheidung über den "Speaker" zu Jahresbeginn. Dass Pelosi es erneut in das dritthöchste Staatsamt schafft, ist zwar noch nicht garantiert, aber wahrscheinlich.

Die Demokraten werden im neuen Repräsentantenhaus über 234 oder 235 der 435 Sitze verfügen. Pelosi braucht 218 Stimmen, um Parlamentschefin zu werden - sie kann es sich also leisten, dass ihr bis zu 16 oder 17 Fraktionskollegen untreu werden. Bei der Abstimmung im Plenum über den "Speaker" ist wohl eine größere Geschlossenheit der demokratischen Fraktion zu erwarten, als bei dem jetzigen internen Votum.

Als Parlamentschefin würde sie Trumps zentrale Gegenspielerin

Als Parlamentschefin würde Pelosi in der zweiten Amtshälfte Trumps zu dessen zentraler Gegenspielerin. Sie hätte es in der Hand, sämtliche republikanischen Gesetzesinitiativen und damit wichtige Teile von Trumps Agenda abzublocken - etwa Vorschläge zur Einwanderungspolitik oder mögliche weitere Steuerreformen.

Auch hätte Pelosi es in der Hand, mit ihrer Fraktion ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump auf den Weg zu bringen. Dafür reicht die einfache Mehrheit im Repräsentantenhaus. Pelosi hat sich bislang allerdings gegen das "Impeachment" ausgesprochen.

Nicht auszuschließen ist, dass sich ihre Haltung ändert - etwa in dem Fall, dass der Sonderermittler Robert Mueller stichhaltige Belege dafür präsentiert, dass Trump an illegalen Absprachen mit Moskau während des Wahlkampfs 2016 beteiligt war. Um den Präsidenten abzusetzen, wird allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Senat gebraucht.

Pelosi gilt als gewiefte Taktikerin, ihrer Fraktion steht sie bereits seit knapp 16 Jahren vor. Von konservativen Kreisen wird sie seit vielen Jahren als radikale und elitäre Linke dargestellt. Trump warf ihr im jüngsten Wahlkampf vor, "schwach" im Vorgehen gegen Kriminalität und illegale Zuwanderung zu sein.

Nach der Wahl gratulierte der Präsident ihr aber dann, pries sie als "sehr schlaue Frau" und bot ihr die Zusammenarbeit an. Wie ernst gemeint dieses Angebot war, bleibt abzuwarten. (dpa, AFP)

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