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Venezuela: Wer Hugo Chávez beerben könnte

Der Gesundheitszustand von Venezuelas krebskrankem Staatschef Hugo Chávez hat sich zuletzt rapide verschlechtert. Ein möglicher Nachfolger steht schon bereit: Vizepräsident Nicolás Maduro - einst Busfahrer und bald vielleicht einer der mächtigsten Männer in Lateinamerika.

Vom Busfahrer zum Kronprinzen von Hugo Chávez – die Karriere von Nicolás Maduro ist beachtlich. Immer wieder hat die venezolanische bürgerliche Opposition gelästert über den fehlenden Universitätsabschluss des 1,90 Meter großen, kräftigen Mannes mit dem buschigen Schnauzbart. Über seine rüde Sprache und die legeren Klamotten. Doch Maduro hat bewiesen, dass er andere Qualitäten besitzt: eine ungezwungene Art, politische Durchsetzungsfähigkeit und vor allem Loyalität. In den vergangenen eineinhalb Jahren war Maduro, der am 23. November seinen 50. Geburtstag feierte, in den wichtigen Momenten stets an der Seite des Präsidenten. Die Freundschaft der beiden ist aber schon viel älter.

Kennengelernt haben sie sich nach Chávez’ gescheitertem Putsch 1992. Maduro war damals Busfahrer, sozialistisch-maoistischer Gewerkschaftsführer, Hobby- Baseballspieler und wegen seiner Statur auch ab und an Bodyguard politisch engagierter Gesinnungsgenossen. Er beschützte den späteren Vizepräsidenten José-Vicente Rangel in dessen glücklosem Präsidentschaftswahlkampf 1983. Zusammen mit seiner neun Jahre älteren Frau und späteren Parlamentspräsidentin Cilia Flores besuchte Maduro Chávez im Gefängnis. Die beiden fachsimpelten stundenlang und schmiedeten Pläne für ein sozialistisches Venezuela. Die Sympathie war gegenseitig, doch im Gegensatz zu vielen anderen Weggefährten, die sich später mit Chávez überwarfen, ergab sich Maduro widerspruchslos der Führerschaft des acht Jahre älteren Militärs. Im Präsidentschaftswahlkampf 1998 war er einer der Koordinatoren in Chávez’ siegreichem Wahlkampf.

Im Kielwasser der chavistischen Revolution wurde Maduro ins Parlament gewählt und avancierte 2005 zum Parlamentspräsidenten. War der Sprössling einer Arbeiterfamilie in seinen Jugendjahren für ausschweifende Rockpartys und stetes Zuspätkommen bekannt, zeigte er als Parlamentspräsident plötzlich Strenge: Die Abgeordneten verdonnerte er zum Stempeln, wer zu spät kam, musste Bußgelder zahlen. Aus dieser Zeit stammt sein Spitzname „der Oberlehrer“. Zugleich tolerierte er den Nepotismus seiner Frau, die Dutzende Verwandte auf die Gehaltsliste des Parlaments setzte. Ein Prozess gegen das Paar wegen ungerechtfertigter Bereicherung wurde eingestellt.

2006 machte ihn Chávez zum Außenminister. Fortan tauschte er Jeans und Lederjacke gegen Anzüge. Doch seine Sprüche blieben undiplomatisch. So bezeichnete er den US-Staatssekretär John Negroponte einmal als „zweitrangigen Beamten mit Vorstrafenregister“ – was seinem Mentor gefiel. Sechs Jahre behielt ihn Chávez, der sonst gerne die Minister rotiert. Erst im Oktober nach seiner Wiederwahl und offenbar schon die neuerliche Krebsdiagnose ahnend, machte er Maduro zum Vizepräsidenten, dem verfassungsmäßig die Nachfolge zusteht.

Chávez sei nach seiner Operation bei Bewusstsein und habe „mit großer Kraft“ seine Hand geschüttelt, als er ihn im Krankenhaus in Kuba besucht habe, sagte Maduro jetzt dieser Tage. Chávez soll am 10. Januar seine neue, bis 2019 dauernde Amtszeit antreten. Sollte er dazu nicht in der Lage sein, gibt es verfassungsgemäß Neuwahlen. Maduro führt die Regierungsgeschäfte in seiner Abwesenheit.

Eine wichtige Rolle für seinen Aufstieg dürfte die Meinung der Kubaner gespielt haben, denn beide Regierungen haben ein nahezu symbiotisches Verhältnis. Ein Jahr seiner Studienzeit verbrachte Maduro in Kuba; zu Raúl und Fidel Castro hat er einen guten Draht. Maduro ist kein charismatischer Redner, gilt aber als jovial und umgänglich. Der Asthmatiker liebt riesige Sandwiches und ist Anhänger des indischen Gurus Sai Baba. Seine Position innerhalb des Chavismo wird auch durch seine Frau gestärkt, die seit kurzem Generalstaatsanwältin ist.

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