zum Hauptinhalt

Politik: „Verbände sind immer gegen Vielfalt“

Von Grün bis Schwarz: Politiker aus Bund und Ländern warnen davor, an der Staatsreform herumzubasteln

Berlin - Für Winfried Kretschmann ist die Sache klar: „Ein Aufdröseln bringt gar nichts, dann kommt für die Länder noch weniger heraus“, sagte der Grünen- Fraktionschef im Stuttgarter Landtag am Donnerstag dem Tagesspiegel. Damit stellt er sich in die Reihe derer, die an der Föderalismusreform nicht mehr herumbasteln und sie so umsetzen wollen, wie sie in der Föderalismuskommission parteiübergreifend vorbereitet und dann im schwarz-roten Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Kretschmann stellt sich damit auch gegen die bundespolitische Spitze seiner Partei. „Es gibt bei uns einige Jakobiner, die immer noch mehr Zentralismus wollen“, sagt er. „Der Sinn des Föderalismus ist aber, dass es auch Unterschiede gibt.“

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast und Parteichef Reinhard Bütikofer fordern, im umweltpolitischen Teil der Reform noch Änderungen vorzunehmen. Auch Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) haben dafür geworben. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen fordert sogar erhebliche Eingriffe in den Reformplan, der einerseits vorsieht, das Umweltrecht grundsätzlich auf Bundesebene zu bündeln, andererseits den Ländern größere Mitwirkungsrechte zusichert und ihnen sogar das Recht gibt, von Bundesgesetzen abzuweichen. Den Experten geht das zu weit, ein einheitliches Umweltrecht sei damit nicht zu schaffen. Das hält Kretschmann für übertrieben. „Verbände und Experten sind immer gegen Vielfalt“, meint er. Die Reform dürfe nicht durch „technokratische Einwände“ gefährdet werden.

Ob das Abweichungsrecht der Länder die von Kritikern befürchteten Nachteile – „Umweltdumping“ und Unübersichtlichkeit – bringt, ist umstritten. Denn häufig werden die Regeln zum Naturschutz, zum Wasserrecht oder über die Abfallentsorgung schon in Brüssel gemacht. Unter diese umweltpolitischen Vorgaben der EU darf auch kein Bundesland gehen. Michael Breuer, Bundesratsminister in Nordrhein-Westfalen und CDU-Politiker, glaubt daher: „Es wird im Wesentlichen nach oben abgewichen werden.“ Der Magdeburger Staatskanzleichef Rainer Robra (CDU) ärgert sich darüber, dass bei den Kritikern stets mitschwinge, die Länder würden mit dem Abweichungsrecht verantwortungslos umgehen. Die geplante Lösung im Umweltrecht sei in jedem Fall besser als die bisherige Zersplitterung zwischen Bund und Ländern.

Spitzen der Regierungskoalition trafen sich am Donnerstag in Berlin, um das weitere Vorgehen zu beraten. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach stellte klar, dass an ein Aufschnüren des Reformpakets nicht zu denken sei. „Es wird keine neuen Verhandlungen über den materiellen Inhalt der Reform mehr geben“, sagte er dem Tagesspiegel. Allenfalls sei vorstellbar, dass es im Gesetzgebungsverfahren zu Detailänderungen komme, „wenn alle Länder und die Bundesseite gemeinsam darüber einig sind“. Er glaube aber nicht, dass es trotz kritischer Stimmen auch aus dem Bundestag zu größeren Änderungen beim Umweltrecht oder in der Bildungspolitik komme. „Wenn auf irgendeinem der Felder einem Wunsch nach neuen Verhandlungen nachgegeben wird, zieht das unweigerlich weitere Wünsche nach sich. Das aber gefährdet die Reform.“ Bosbach warnte aber davor, bestehende Differenzen zwischen Bund und Ländern bei der Umsetzung der Reform als Petitessen abzutun. Dabei geht es nicht zuletzt ums Geld, etwa darum, wie die bisherigen Bundesmittel für den Hochschulbau unter den Ländern aufgeteilt werden – denn diese Aufgabe wird künftig reine Ländersache sein.

Bis zum Sommer soll die Reform Wirklichkeit werden. Nach der grundsätzlichen Verständigung der Koalitionsspitzen am Donnerstag werden die Ministerpräsidenten am 6. März darüber beraten. Am 10. März soll das umfangreiche Paket – insgesamt 14 Gesetze – in Bundestag und Bundesrat eingebracht werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false