zum Hauptinhalt
Wer soll's richten? Die Verbraucher - oder die Verbraucherschutzministerin? Julia Klöckner (CDU), Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, und Stefan Magel, Bereichsvorstand Handel Deutschland Penny der Rewe Group, bei Penny in Berlin.

© Jens Kalaene/dpa

Verbrauchertag: Den Verbrauchern der Pudding, der Politik die Rente

Verbraucher haben heute viel Macht. Die Politik verlässt sich zunehmend auf sie. Was Verbraucher regeln können - und was nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Zu John F. Kennedy fällt einem vieles ein. Die Kuba-Krise, der berühmte Satz „Ich bin ein Berliner“ und natürlich das Attentat. An Verbraucherschutz denkt man in Zusammenhang mit dem einstigen US-Präsidenten dagegen eher nicht. Was schade ist: 57 Jahre ist es jetzt her, dass Kennedy vor dem Kongress eine denkwürdige Rede hielt, in der er sich für die Rechte der Verbraucher einsetzte. „Wir alle sind Konsumenten“, sagte er am 15. März 1962, „und damit die größte und wichtigste Wirtschaftsgruppe. Dennoch werden unsere Ansichten oft nicht berücksichtigt.“

Mit einiger Verspätung ist seine Rede dann doch berücksichtigt worden. Seit 1983 begeht die Welt am 15. März den Weltverbrauchertag. Es dürfte der einzige Ehrentag sein, der nicht einer schützenswerten Minderheit, sondern der gesamten Menschheit gewidmet ist. Denn jeder ist ein Verbraucher, vom Baby bis zum Greis.

Die Verbraucher stimmen im Supermarkt ab, was sie wollen - schneller als die Politik entscheidet

Inzwischen verschafft sich die einst schweigende Mehrheit zunehmend Gehör. Weil immer mehr Menschen Wert darauf legen, sich gut zu ernähren, stocken die Händler ihre Bio-Sortimente auf. Verbraucher stimmen an der Ladenkasse ab, der Handel ist als Seismograph für den Kundenwillen so oft schneller als die Politik. Lange, bevor Bundesernährungsministerin Julia Klöckner im Dezember ihre Reduktionsstrategie für Zucker, Salz und Fett vorgelegt hatte, gab es derart abgespeckte Produkte längst bei den großen Supermarktketten zu kaufen. Und schon bevor das staatliche Tierwohllabel kommt, zeichnet der Handel bei Schnitzeln, Hähnchenbrust oder Keule aus, wie die Tiere zeit ihres Lebens gehalten worden sind.

Die Realität überholt die Politik. Beispiel: Dieselskandal. Während Verkehrsminister Andreas Scheuer noch zauderte bei der Frage, ob Hardware-Nachrüstungen wirklich nötig sind, verklagten Tausende VW-Kunden den Konzern und die Händler. Die Klagewelle führte dazu, dass die Union ihren Widerstand gegen die Musterfeststellungsklage aufgab. Heute machen mehr als 400.000 Menschen bei dem Verbraucherverfahren mit und treiben VW in die Defensive.

Je komplexer das Produkt, desto machtloser der Verbraucher

Und doch kann man nicht alles den Verbrauchern überlassen. Denn Konsumenten sind wankelmütig – und inkonsequent. Klimaschutz ist eine wichtige Sache, das dürften fast alle unterschreiben. Also weg mit den Plastiktüten und Plastikstrohhalmen und dem Einweggeschirr. Doch auf den Klimakiller Reisen  verzichten die wenigsten. Im Gegenteil: Noch nie sind so viele Menschen verreist wie im vergangenen Jahr, hat eine neue Tourismusstudie ergeben. Obwohl sechs von zehn Menschen wissen, dass Reisen der Umwelt schadet, wollen sie nicht darauf verzichten. Als Ablass wären sie allenfalls bereit, Müll vom Strand wegzuräumen, sagen sie.

Verbraucher können einiges bewegen, doch das entlässt die Politik nicht aus der Verantwortung. Sie muss die elementaren Bedürfnisse  der Menschen erfüllen – bezahlbaren Wohnraum, flächendeckende Gesundheitsversorgung, vernünftige Schulen. Sie muss Werte setzen: Wie wichtig ist uns das  Tierwohl? Wie halten wir es mit dem Schutz der Natur? Sie muss die Menschen dort schützen, wo es bisher keinen Schutz gibt, etwa bei der Insolvenz von Airlines wie Air Berlin oder Germania. Und sie muss Probleme lösen, die komplexer sind als Plastikstrohhalme oder zuckerfreier Pudding. Verbraucher brauchen endlich eine bezahlbare Alternative zu Riester und Co, nämlich ein kostengünstiges Basisangebot für eine private Altersvorsorge. Ein auskömmliches Leben im Alter wäre ein feiner Beitrag der Politik zum Verbraucherschutz.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false