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Verfassung: Karlsruhe prüft Luftsicherheitsgesetz

Was die Bundeswehr im Inland darf oder nicht, ist umstritten. Bald wird es mehr Klarheit geben: Dann verkündet das Bundesverfassungsgericht ein Grundsatzurteil.

"Wir sind uns der Brisanz des Themas bewusst", sagt der Vorsitzende des Zweiten Senats, Andreas Voßkuhle, bei der mündlichen Verhandlung am Mittwoch in Karlsruhe. Doch sei es Aufgabe des Gerichts, die Grenzen auszuloten. Und zwar „vollständig“.

Das wird interessant. Denn es geht erneut um das Luftsicherheitsgesetz, das neben Flughafenkontrollen den Streitkräfteeinsatz bei terroristischer Bedrohung regelt. Die rot-grüne Regierung wollte diese Befugnisse und stützte sie auf Vorschriften im Grundgesetz, wonach die Bundeswehr in Notfällen den Landesbehörden zu Hilfe eilen darf. Die Opposition verweigerte sich, auch, weil in der Union gefordert wird, den Inlandseinsatz eindeutig in das Grundgesetz aufzunehmen.

Heute ist die Situation eine andere. Die amtierende schwarz-gelbe Regierung verteidigt nun das Gesetz gegen Klagen aus Hessen und Bayern. Und 2006 hat der Erste Senat des Karlsruher Gerichts einen Absatz darin gestrichen, die Befugnis, ein von Terroristen entführtes Flugzeug mitsamt den Passagieren abzuschießen. Die Menschenwürde verträgt kein Menschenopfer, lautete die Begründung. Außerdem: Die Amtshilfevorschriften in der Verfassung rechtfertigten keinen Einsatz militärischer Gewalt.

Förmlich war damit nicht das gesamte Gesetz gekippt, sondern nur die Abschussbefugnis. Bayern und Hessen hatten gehofft, gleichwohl endlich die begehrte Grundgesetzänderung zu bekommen. Vergeblich. Deshalb hielten sie an ihren Normenkontrollanträgen fest, die in die Zuständigkeit des Zweiten Senats fallen. Sie wollen das gesamte Gesetz kippen, um die Verfassungsdiskussion erneut zu eröffnen. Der Luftwaffeneinsatz gegen Terror sei zwingend, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Er will ein neues Gesetz auf neuer Verfassungsgrundlage. „Ich brauche auch die Kompetenz, dass geschossen werden darf.“

Doch auch ohne Abschussbefugnis erfüllt das Gesetz seinen guten Zweck, meinen Bundeswehr und Bundespolizei. 30 bis 40 Mal im Jahr steigt die Alarmrotte der Luftwaffe auf, berichtet Generalleutnant Friedrich-Wilhelm Ploeger. Grund seien Verdachtsfälle auf Entführungen, etwa wenn der Funkkontakt abgebrochen sei. Wie wichtig die Luftsicherheit sei, unterstreicht Bundeskriminalamtschef Jörg Ziercke: „Wir erwarten in Deutschland Angriffsversuche“, sagt er. Der Luftverkehr sei wegen seiner Symbolkraft und Medienwirkung vorrangiges Ziel der Islamisten, die neuen Kontrollen mit „hoher Anpassungsfähigkeit und Einfallsreichtum“ begegneten.

Aber was bringen die verbliebenen Streitkräftebefugnisse, wollen die Verfassungsrichter wissen. Warum die Befugnis für einen Warnschuss, wenn der Abschuss verboten ist? Und Abdrängen? Funktioniert nur, wenn der Pilot kooperiert, sagt der Generalleutnant. Doch dass todesbereite Al-Qaida-Terroristen kooperieren, „können wir uns nicht vorstellen“, sagt Voßkuhle. Und Richter Udo Di Fabio schien ratlos, weshalb die Klageländer überhaupt eine Grundgesetzänderung wollten, wenn der Abschuss selbst aus Verfassungsrechtsgründen verboten sei.

So weit, so kompliziert. Voßkuhle deutete an, man könnte vom Urteil des Ersten Senats abweichen. In der Menschenwürdefrage ist das ausgeschlossen, offenkundig sieht der Senat aber in den Amtshilfevorschriften eher eine taugliche Grundlage für das Luftsicherheitsgesetz. Sollten die Richter das Gesetz dennoch kassieren, bedürfte es tatsächlich einer Verfassungsänderung, wollte man die Luftwaffe für Inlandseinsätze bereithalten.

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