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An Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, richten sich hohe Erwartungen.

© Emmanuele Contini/imago

Alle gegen die AfD: Verfassungsschutz ist kein Ersatz für Politik

Das Bundesamt soll der Partei zu Leibe rücken, fordern viele. Sie versprechen sich davon mehr, als eine Behörde einlösen kann – und sollte. Ein Kommentar.

Seit die AfD ihren rechtsextremistischen „Flügel“ pro forma gestutzt hat, wirkt die Partei extremistischer denn je. Parteichef Jörg Meuthen hält das bekanntlich für den falschen Weg: „Wir werden nicht mehr Erfolg erzielen, indem wir immer aggressiver, immer derber, immer enthemmter auftreten“, rief er in seiner Wutrede auf dem Parteitag in Kalkar. Doch er wendet sich an Leute, die ihre Erfolge maßgeblich damit erzielen, immer aggressiver, immer derber, immer enthemmter aufzutreten.

Die AfD ist größte Oppositionspartei im Bundestag geworden, gerade weil sie dort eine Fraktion der Enthemmten bildet. Denn so soll er sein, der Gegenentwurf zu den „Altparteien“ mit ihren vielfältigen, insbesondere moralischen Hemmungen.

Eindrucksvoll bestätigten die Parteimitglieder dieses Programm, indem sie andere Enthemmte als Gäste in das Parlament luden und Szenen der Enthemmung boten. Dem neurechten österreichische Publizisten Martin Lichtmesz wird ein Zitat zugeschrieben, das den aktuellen Reiz des Rechten auf den Punkt bringt: „Wenn du rechts bist – das Geile daran ist: Du darfst alles.“

Für ein Verbot sind die Hürden zu hoch

Auf der politischen Gegenseite gibt es dazu derzeit im Wesentlichen nur einen Einfall, und der ist es, das Ganze zu einem Fall für den Verfassungsschutz zu erklären. So kam es nach viel öffentlichem Druck zur Deklaration als Prüffall. Absehbar wird die AfD bundesweit zum Verdachtsfall hochgestuft, Brandenburg und Thüringen haben es schon vorgemacht. Sogar ein Parteiverbot schiebt sich wieder in die politische Diskussion. Letzteres dürfte abwegig sein, dafür sind die Hürden zu hoch.

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Doch eine AfD „unter Verdacht“ (das beinhaltet die amtlichen Befugnis, die Partei zu bespitzeln) wäre rechtlich wohl begründbar. Aus Prüffall und Verdachtsfall wird dann ein Ernstfall und der politische Diskurs auf die Ebene des Gesetzesvollzugs verlagert. Zuständig ist ausgerechnet ein Inlandsgeheimdienst. Eine Staatsschutzbehörde mit unseligen Vorfahren, die mancher vor ein paar Jahren noch abschaffen wollte.

Die enthemmte Partei schwächt sich selbst, und alle sehen zu

Nicht dieses Mittel selbst ist es, das Skepsis verdient, sondern die allgemeine Konzentration darauf. Denn so redlich die Aufgabenbeschreibung im Bundesverfassungsschutzgesetz ist – der Verfassungsschutz ist auch ein politisches Instrument. Sein Einsatz, das wissen alle Beteiligten, gilt hier weniger der Aufklärung verfassungswidriger Bestrebungen als dem Bemühen, die Partei suspekt erscheinen zu lassen und ihr Wähler abzujagen. Die Exekutive schaltet sich damit in die politische Willensbildung ein, die nach dem Bild des Grundgesetzes möglichst staatsfrei zu erfolgen hat.

Das macht die AfD nicht zum falschen Fall, im Gegenteil. Nur braucht man keinen Geheimdienst, um die Partei zu schwächen. Sie besorgt es selbst, öffentlich, denn Enthemmung ist abstoßend. Und ermüdend. Am Ende steht die Einsicht, dass die Alternative zur Regierung nicht mal Opposition kann. Braucht man dafür den Verfassungsschutz?

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