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Das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Sitz in Köln.

© DPA

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Verfassungsschutz muss Auskunft zur NSU-Schredder-Affäre geben

Das Kölner Bundesamt weigert sich notorisch, investigative Anfragen von Journalisten zu beantworten. Jetzt wurde es erneut verurteilt, Interna preiszugeben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Recht investigativer Journalisten bei Recherchen in Behörden gestärkt und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zu Auskünften im Zusammenhang mit geschredderten NSU-Akten verurteilt. Das Gericht betonte die „hohe Bedeutung der Aufarbeitung der Verbrechen“ der rechtsextremistischen Morde (Az.: 2 C 41.18), heißt es in dem am Dienstag verkündeten Urteil. Dies überwiege die Interessen des Verfassungsschutzes an Geheimhaltung einer disziplinarischen Angelegenheit.

Ein BfV-Referatsleiter mit dem Tarnnamen „Lothar Lingen“ hatte im November 2011 angeordnet, verschiede Akten vernichten zu lassen. Diese bezogen sich möglicherweise auf Ermittlungen im Umfeld der Thüringer Neonaziszene, aus der das NSU-Trio hervorgegangen war. Die Mordtaten waren unmittelbar zuvor bekannt geworden. Das BfV leitete daraufhin ein Disziplinarverfahren gegen seinen Beamten ein.

Auskünfte nur aus zwingenden Gründen?

Trotz parlamentarischer Untersuchungen weigert sich das BfV bis heute, nähere Angaben zu dem Verfahren zu machen. Der Grund ist scheinbar banal: Die Auskünfte beträfen Informationen aus geschützten Personalakten, zumal zu sensiblen Daten aus einem Disziplinarverfahren. Dazu verwies das BfV auf eine Vorschrift aus dem Bundesbeamtengesetz, wonach derartige Auskünfte an Dritte nur aus zwingenden Gründen erteilt werden dürften.

Der Journalist von der „Zeit“ Toralf Staud hielt das öffentliche Aufklärungsinteresse dagegen, das für das BfV jedoch nachrangig erschien; schließlich sei vieles schon geklärt, hieß es. Das klingt nach Verweigerung in einem Einzelfall, Tatsache jedoch ist, dass der Verfassungsschutz investigative Anfragen der Presse oft verzögert und wenn, dann nur oberflächlich beantwortet. Auch der Tagesspiegel führte und führt verschiedene Auskunftsverfahren gegen das Kölner Bundesamt.

Der Fall berührt auch die Umstände der Knabe-Entlassung

Dass gerade behördliche Personalangelegenheiten vor Recherchen der Presse geschützt sein sollen, ist dabei ein wiederkehrendes Argument von Behörden, das manche Gerichte durchaus teilen: So hatte etwa das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Ablehnung von Kultursenator Klaus Lederer (Linke) bestätigt, Informationen rund um die Entlassung des früheren Stasi-Gedenkstättendirektors Hubertus Knabe zu erteilen. Ein Eilantrag des Tagesspiegels wurde ebenfalls mit der Begründung abgewiesen, es lägen keine zwingenden Gründe vor, wie sie das Bundesbeamtengesetz prinzipiell vorsehe.

Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts dürften – vorbehaltlich der schriftlichen Gründe – etwas veränderte Maßstäbe gelten. Der Zweite Senat betonte, es dürfe keine „journalistische Relevanzprüfung“ durch Gerichte geben. Auch spielten Regelungen zum Schutz des Beamten aus dem Bundesdisziplinargesetz im konkreten Fall keine so wichtige Rolle, wie das BfV behauptet hatte. Allerdings rief das Gericht auch den Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts betroffener Beamten in Erinnerung. In diesem Fall aber hat das BfV dies alles klar falsch bewertet: Eine andere Entscheidung als die Auskunftserteilung sei „ausgeschlossen“, so die Richter.    

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