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Priesterweihe im Petersdom

© dpa

Verheiratete Priester: Wie wahrscheinlich ist die Lockerung des Zölibats?

Die kalte Dusche fürs heiße Eisen kam prompt. Die deutschen katholischen Bischöfe wollen das Thema Zölibat lieber nicht anfassen - schon gar nicht vor dem für September geplanten Besuch des Papstes in seiner Heimat.

Der Vorschlag von „kirchlich aktiven Persönlichkeiten des politischen Lebens“, hieß es am Wochenende in einer Erklärung der Bischöfe über die prominenten Christdemokraten, die sich jetzt für ein Ende der Ehelosigkeitspflicht aussprachen, sei zwar „von weltkirchlicher Tragweite und verlangt eine entsprechende Meinungsbildung und Entscheidung auf gesamtkirchlicher Ebene“. Doch für „die Gespräche unmittelbar zur Vorbereitung des Besuchs des Heiligen Vaters in Deutschland“ seien sie „nicht als Thema vorgesehen“ .

Das freilich wird nach Meinung von Hans Joachim Meyer, früher Wissenschaftsminister in Sachsen und bis 2009 Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK), der katholischen Laienorganisation, „ein frommer Wunsch bleiben“. Die Debatte um den Zölibat gebe es „nicht erst seit gestern und sie wird nicht aufhören, weil sie nämlich von der Realität selbst auf die Tagesordnung gesetzt wird“. Realität sei dabei nicht nur ein dramatischer Priestermangel in Deutschland, sondern auch der Umstand, dass die Verpflichtung katholischer Priester zum Verzicht auf die Ehe „eine kirchenrechtliche Regelung“ sei, „keine dogmatische“. Sprich: Sie ließe sich ändern, ohne die Grundfesten des Glaubens einzureißen. Schließlich, sagt Meyer, seien Kirchen wie die orthodoxe, die den Zölibat nicht vorschreibt, Teil der katholischen Weltkirche. Der Zölibat ist auch kein katholisches Alleinstellungsmerkmal. Meyer verweist auf die Taizé-Gemeinschaft – auch dort ist er freiwillig.

Den Brief, um den es geht, haben prominente Katholiken in der CDU verfasst, zu den Unterzeichnern gehören Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundesbildungsministerin Annette Schavan und die Ex-Ministerpräsidenten Bernhard Vogel, Erwin Teufel und Dieter Althaus. Sie nennen es darin „dringend geboten“, dass die deutschen Bischöfe angesichts der „besorgniserregenden Zunahme des Priestermangels“ in Rom auf die Zulassung auch verheirateter „viri probati“ („bewährter Männer“) zum Priesteramt dringen. Alle Gründe, an der bisherigen Praxis festzuhalten, „wiegen unseres Erachtens nicht so schwer wie die Not vieler priesterloser Gemeinden, in denen die sonntägliche Messfeier nicht mehr möglich ist“, schreiben sie. Lammert beklagte, der Vatikan beschäftige sich „mit dem Problem in einer Weise, die diesem absolut nicht gerecht wird“. Wenn die Amtskirche zögere, sich mit dem Sinn des Zölibats öffentlich auseinanderzusetzen, „dann müssen es eben engagierte Laien tun“, sagte er in einem Interview. Schavan begründete ihre Beteiligung am Schreiben mit der „Not in den Gemeinden“.

Über den Zölibat wird im deutschen Katholizismus seit Jahrzehnten debattiert, verstärkt seit der Würzburger Synode, die Anfang der 70er Jahre versuchte, den Reformschwung des Zweiten Vatikanischen Konzils 1962–65 aufzunehmen. In den vergangenen Jahren hat die Debatte mehr Nachdruck bekommen. Alois Glück, Ex-CSU-Fraktionschef im Münchner Landtag und Nachfolger Hans Joachim Meyers an der Spitze des ZdK, sprach sich schon kurz nach seinem Amtsantritt im November 2009 für die Zulassung von „viri probati“ zum Priesteramt aus. Und selbst der hohe Klerus ist in der Frage längst nicht mehr stumm: Auch der Freiburger Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch erklärte vor drei Jahren öffentlich, der Zölibat sei „theologisch nicht notwendig“. Auch wenn er danach zurückruderte, die Wiedergabe seiner Worte als „einseitig und verkürzt“ beklagte und den Zölibat als „Geschenk“ rühmte: Andere Geistliche reden ebenfalls nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand. Dieser Tage erst forderte Altabt Odilo Lechner, der lange Jahre an der Spitze der bayerischen Benediktinerkongregation stand, den Zölibat „zu überdenken“. Ehelosigkeit sei zwar ein hoher Wert, man müsse aber fragen, ob man deswegen Gemeinden ohne Priester lassen dürfe.

So ist auch die neue Initiative der Unionspolitiker ein Schritt auf einem ziemlich langen Weg. Mit den jüngsten Versuchen von CDU-Spitzenleuten, das christliche „C“ im Namen wieder mehr leuchten zu lassen – wie in der Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik PID – hat sie dagegen bestenfalls am Rande zu tun, meint Meyer, das halte er für „kein wesentliches Motiv“. „Eine Debatte lebt davon, dass sie immer wieder geführt wird“, sagt er. „Kirche ist für mich auch ein ständiger konziliarer Prozess.“ Er verweist auf ein Novum der Erklärung: Die Unterzeichner regen an, angesichts des besonderen Priestermangels in Deutschland eine regionale Lösung zu finden, ohne dass der Pflichtzölibat weltweit aufgehoben werden müsse.

Und während Unterzeichner Lammert sich „mehr Mut“ von den Bischöfen wünscht, sieht Meyer schon Hoffnungszeichen in der offiziellen Antwort der Bischöfe: Sehe man von der Weigerung ab, den Zölibat vor dem Papstbesuch zu diskutieren, sei das „eine bemerkenswerte Erklärung“. Schließlich spricht sie respektvoll vom „Vorschlag“ der Briefschreiber und dessen „weltkirchlicher Tragweite“. Und sie lässt durchblicken, dass es da Diskussionsbedarf gibt: „In den kommenden Jahren werden die Rückerinnerung an die Beratungen des Konzils vor 50 Jahren und der Gemeinsamen Synode der Bistümer vor 40 Jahren Gelegenheit geben, das Anliegen des Briefes und andere Anregungen zur Weckung von mehr Priesterberufen neu zu bedenken.“ Kein Ende der Debatte also.

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