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Politik: Verschiebt Scharon die Räumung des Gazastreifens?

Israels Ministerpräsident geht auf religiöse Argumente ein, um die Siedler zur Kooperation zu bewegen

Die Räumung aller israelischen Siedlungen im Gazastreifen wird möglicherweise um rund drei Wochen verschoben. Ministerpräsident Ariel Scharon deutete an, er könnte einer solchen Verzögerung zustimmen. Allerdings könnte es sich auch um einen Trick handeln.

Bisher hatte Scharon in seinem so genannten Loslösungsplan vorgesehen, mit der Räumung aller 21 Siedlungen im Gazastreifen und vier weiterer im nördlichen Westjordanland frühestens am 20. Juli zu beginnen. Bis zum Beginn des Schuljahres am 1. September soll sie auf jeden Fall abgeschlossen sein. Allerdings hatte der Chef der Räumungsbehörde, Jonathan Bassi, Einwände. Bassi hatte eine Verschiebung um rund drei Wochen vorgeschlagen, weil die Trauerperiode für die Zerstörung der beiden biblischen Tempel erst am 14. August endet. Religiöse Juden halten diese Trauerzeit ein. Da weitaus die meisten Siedler im Gazastreifen sehr religiös eingestellt sind, äußerte Scharon Verständnis für Bassis Argumentation, um den Siedlern die ohnehin traumatische Räumung ihrer Häuser nicht noch mehr zu erschweren. Tatsächlich hatten radikale Siedler schon früher auf die Symbolhaftigkeit der Zerstörung ihres Siedlungstraumes ausgerechnet während der Tempeltrauerzeit hingewiesen.

Militärs wiederum hatten zuvor schon gefordert, die Räumung frühestens am 25. Juli zu beginnen – einen Tag nach dem Fastentag zu Beginn der dreiwöchigen Trauerperiode. Außerdem befürworten Skeptiker wie Kritiker des Loslösungsplanes eine Verschiebung der Räumung, weil deren Beginn zu nahe an den für den 17. Juli angesetzten palästinensischen Parlamentswahlen liege. Siegt bei diesen die derzeit in Meinungsumfragen vorne liegende radikalislamistische Hamas, so ihre Überlegung, dann könnte der gesamte Loslösungsplan im letzten Augenblick noch annulliert werden. Und die Siedlungen wären gerettet.

An diesem Dienstag soll der zuständige Ministerausschuss den endgültigen Termin für den Beginn der Räumung der Siedlungen festlegen. Auf jeden Fall werden Armee und Polizei aber nicht wie bisher angenommen am 20. Juli in die ersten zur Räumung bestimmten Siedlungen einrücken.

Bisher hatte Ministerpräsident Ariel Scharon alle Vorschläge von Militärs, Beamten und Siedlern für einen späteren Termin abgelehnt. Doch seit Montag ist alles anders: Ausgerechnet den am weitesten gehenden Vorschlag von Jonathan Bassi bewertete Scharon als durchaus positiv und bedenkenswert. Allerdings haben inzwischen Minister der Arbeitspartei heftigen Widerstand gegen eine Verschiebung angemeldet.

Scharons Zuspruch für eine Verzögerung könnte aber durchaus nur eine taktische Finte darstellen, um die nach wie vor in ihrer Mehrheit widerwilligen Siedler für einen reibungslosen Abzug aus ihren Siedlungen zu gewinnen. Nur wenn sie wenig Widerstand leisten, kann die Räumung der Siedlungen schnell erfolgen. Wenn Scharon ihnen nun anbietet, aus Rücksichtnahme auf ihre religiösen Gefühle erst Mitte August mit der Räumung zu beginnen, so setzt dies voraus, dass sie mehr oder weniger freiwillig ihre Siedlungen verlassen, damit die Räumung termingemäß bis zum ersten Schultag abgeschlossen werden kann.

Die Räumung der Siedlungen im Gazastreifen soll nach den neuesten Plänen in drei jeweils einwöchigen Phasen erfolgen: zuerst die drei Siedlungen am Nordrand des Gazastreifens und mit ihnen die wohl bekannteste Siedlung überhaupt, Netzarim am Stadtrand von Gaza-Stadt. Danach in der zweiten Woche folgen die Siedlungen im nördlichen Teil des Gusch-Katif-Siedlungsblocks einschließlich der isolierten Siedlung Kfar Drom; und schließlich die südlichsten Siedlungen des Gusch Katif. Danach sollen Truppenteile ins nördliche Westjordanland verlegt werden.

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