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Politik: Versicherer warnen vor Rente auf Pump

Für weitere deutliche Beitragssenkungen in der gesetzlichen Rentenversicherung stehen die Chancen schlecht. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VdR) warnte die Bundesregierung davor, die Mindestschwankungsreserve der Rentenversicherung unbegrenzt auf 80 Prozent einer Monatsausgabe festzusetzen.

Für weitere deutliche Beitragssenkungen in der gesetzlichen Rentenversicherung stehen die Chancen schlecht. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VdR) warnte die Bundesregierung davor, die Mindestschwankungsreserve der Rentenversicherung unbegrenzt auf 80 Prozent einer Monatsausgabe festzusetzen. Mittelfristig müsse die Reserve wieder "sukzessive an die volle Monatsausgabe" herangeführt werden - "nicht zuletzt, um das Vertrauen in die Rentenversicherung nicht zu gefährden", sagte VdR-Vorstandschef Jürgen Husmann in Würzburg. Für zwei bis drei Jahre könne die geplante Absenkung um 20 Prozent toleriert werden.

Mit dem Zugriff auf den Reservetopf der Rentenversicherer will Arbeitsminister Walter Riester (SPD) ein Ansteigen des Beitragssatzes auf 19,4 Prozent vermeiden. Nach VdR-Rechnungen hätte die Neuregelung zur Folge, dass der Satz im nächsten Jahr stabil bei 19,1 Prozent bleiben könnte. Doch mit der Senkung der Schwankungsreserve werde auch deren Sicherungsfunktion verringert, sagte Husmann. Es werde "noch wichtiger, dass die Wirtschaftsannahmen, an denen die Bundesregierung bei der Festsetzung des Beitragssatzes ausgeht, durch die Realität bestätigt werden". Husmann nannte es "erstaunlich", dass die Regierung noch im Mai dieses Jahres die Annahme vorgelegt habe, die eine Beitragssenkung auf 19,0 Prozent ermöglicht hätte - ohne die nun beabsichtigte Senkung der Mindestreserve. Wenn es künftig zu ähnlichen Fehleinschätzungen komme, sei - bei abgeschmolzener Reserve - die Grenze der Zahlungsfähigkeit rasch erreicht. Für den Bund, so Husmann, steige dann "das Risiko, Liquiditätshilfen leisten zu müssen". Alterssicherung dürfe man aber nicht einmal kurzfristig über Darlehen finanzieren. Durch die Rückzahlungsverpflichtung würden die Probleme in den Folgejahren vergrößert. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation sei der Zugriff auf bis zu ein Fünftel der Schwankungsreserve "vorübergehend tragbar", meinte der VdR-Vorstandschef. Er sprach von einer "echten Dilemma-Situation". Der anvisierte Beitragssatz von 19,0 Prozent sei keinesfalls erreichbar, die dafür notwendige Reservensenkung um 23 Prozent wäre unvertretbar.

Bei den Beitragseingängen verzeichneten die Rentenversicherer in den ersten neun Monaten dieses Jahres einen deutlichen Rückgang. Statt der erwarteten 2,7 Prozent stiegen die Einnahmen durch die Pflichtbeiträge nur um 2,3 Prozent. Im Vergleich zur Juni-Schätzung bedeutet dies Mindereinnahmen von 1,2 Milliarden Mark, die nur zu einem geringen Teil durch höhere Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit ausgeglichen werden. An Gesamteinnahmen erwartet der VdR für 2001 mit 415,7 Milliarden Mark gut 12 Milliarden mehr als im Vorjahr. Die Ausgaben steigen im gleichen Zeitraum allerdings um 13,4 Milliarden Mark. Mit Blick auf die Eckwerte der Bundesregierung bei Lohnentwicklung und Beschäftigtenzahl kommt der VdR für 2003 auf einen Beitragssatz von 19,0 Prozent, für 2004 auf 19,1 und für 2005 auf 18,9 Prozent. In den Rechnungen für die Entwürfe zur Rentenreform lagen die Prognosen noch bei 18,7 bzw. 18,6 Prozent.

Als "offenes Geheimnis" bezeichnete es Husmann, dass die Lebensarbeitszeit verlängert werden müsse. "Mittel- und längerfristig kommen wir da nicht drum herum", sagte Husmann. VdR-Vize Erich Standfest warnte allerdings davor, den "zweiten Schritt vor dem ersten zu gehen". Zunächst einmal müsse es darum gehen, das tatsächliche Renteneintrittsalter herauf zu setzen, ergänzte VdR-Geschäftsführer Franz Ruland. Das nämlich liege, bedingt durch Arbeitslosigkeit und Vorruhestandsregeln, bei deutschen Männern im Schnitt noch immer unter 60 Jahren.

Ein Monat in Reserve

Wenn der Betrag der Schwankungsreserve steigt, sinkt der Rentenbeitrag. Fällt er, geschieht das Gegenteil. Um das zu verhindern, will die Regierung die Schwankungsreserve insgesamt verringern. Denn damit den Rentenversicherern für Arbeiter und Angestellte nicht plötzlich das verfügbare Geld ausgeht, müssen sie über eine Reserve verfügen, die sich aus Rücklagen und Betriebsmitteln zusammensetzt - das ist die so genannte Schwankungsreserve. Dieses kurzfristig verfügbare Geld und die Rücklagen sollen zusammen den Ausgleich von Einnahme- und Ausgabeschwankungen garantieren. Die Finanzierungsbestimmungen sehen vor, dass die Schwankungsreserve nicht weniger als eine Monatsausgabe der Versicherungen betragen darf. Sonst muss der Rentenbeitragssatz erhöht werden. Die Bundesregierung plant nun die Schwankungsreserve auf 80 Prozent einer Monatsausgabe - voraussichtlich 24 Milliarden Mark - zu senken. Das würde die Rentenkassen um rund sechs Milliarden entlasten.

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