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Politik: Vertriebene zu Kompromiss bereit

„Zentrum gegen Vertreibungen“ könnte öffentlich-rechtlich werden – ohne Steinbach als Vorsitzende

Berlin - In der Kontroverse um die Zukunft des umstrittenen „Zentrums gegen Vertreibungen“ hat die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, überraschend einen Rückzug der alleinigen Führungsrolle ihres Verbandes angeboten. Der CDU-Kulturexperte Bernd Neumann bestätigte dem Tagesspiegel am Sonntag einen Kompromissvorschlag Steinbachs für die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD. Demnach wolle Steinbach das geplante Zentrum in einer übergeordneten Stiftung aufgehen lassen, die auch unter öffentlich-rechtlicher Trägerschaft firmieren könne. „Eine breitere organisatorische wie auch inhaltliche Grundlage für die Stiftung ist sinnvoll“, sagte Neumann, der den Steinbach-Vorschlag am Dienstag mit Fachpolitikern von Union und SPD in der Arbeitsgruppe Kultur erörtern will. Damit wäre eines der Haupthindernisse für eine Zustimmung der SPD und des Nachbarlandes Polen zu dem Gedenkprojekt aus dem Weg geräumt.

Streitpunkte blieben allerdings der Sitz eines „Zentrums gegen Vertreibungen“ und die Beteiligung der Nachbarländer Tschechien und Polen. Neumann sagte, die Union bestehe weiterhin auf Berlin als Sitz für das Gedenkzentrum. SPD-Außenpolitiker Markus Meckel lehnte dies ab und sagte, Polen und Tschechien müssten „von Anfang an“ beteiligt werden. BdV-Präsidentin Steinbach wollte zu Einzelheiten ihres Vorschlages keine Stellung nehmen, bestätigte aber gegenüber dem Tagesspiegel am Sonntag, über eine „übergeordnete Stiftung“ nachzudenken. Eine solche Stiftung, in der Vertriebenen-Gedenkprojekte in ganz Deutschland gebündelt werden, müsse nicht zwingend unter ihrem Vorsitz stehen, sagte die CDU-Politikerin. Eine mögliche Beteiligung Polens oder Tschechiens an der Stiftung lehnte sie jedoch ab: „Das ist eine innerdeutsche Angelegenheit“.

Der CDU-Kulturpolitiker Christoph Stölzl, Beiratsmitglied des „Zentrums gegen Vertreibungen“, sprach sich dagegen für die Mitwirkung der Nachbarländer an einer öffentlich-rechtlichen Stiftung aus. Als Vorbild nannte er das deutsch-russische Museum in Berlin-Karlshorst. Zum Trägerverein des Museums zählen russische und ukrainische Institutionen. Es sei eine „Selbstverständlichkeit“, nach dem Abschluss der wissenschaftlichen Phase eine Rechtsform zu finden, die Bund, Länder, Gemeinden und Nachbarländer in das Stiftungsmodell einbeziehe. Stölzl würdigte den „Ansporn“, den BdV-Präsidentin Steinbach für das Vertriebenenzentrum gegeben habe, sagte aber auch, es sei „jetzt an der Zeit, das Erinnern an Vertreibungsschicksale nicht Interessengruppen allein zu überlassen“, sondern zu einer grenzüberschreitenden, öffentlichen Aufgabe zu machen.

Im „Zentrum gegen Vertreibungen“ soll an Vertreibungsschicksale im Europa des 20.Jahrhunderts erinnert werden. Polens neu gewählter Präsident Lech Kazcynski lehnt das Projekt als einseitig ab. Nach Angaben des BdV steht die Vertreibung Deutscher jedoch nicht im Mittelpunkt der Konzeption des Projekts. Das „Zentrum“ soll im kommenden Jahr mit einer Dauerausstellung unter dem Titel „Das Jahrhundert der Vertreibungen“ seine Arbeit aufnehmen. Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit dem Erzbistum Berlin um die Nutzung der Michaelkirche sucht der BdV aber weiter eine Immobilie.

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