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Vor der deutschen Botschaft in Ankara gehört Geduld für die Ausreisewilligen dazu.

© Caro / Bastian

Visumpflicht: Deutschland wird unattraktiver für Türken

Innenminister de Maizière besucht die Türkei. Das langwierige deutsche Verfahren bei der Visavergabe empfinden viele Türken als erniedrigend - und auch deutsche Unternehmen sind nicht glücklich.

Sinan schüttelt ungläubig den Kopf. „Ich habe studiert, ich spreche drei Sprachen, ich habe einen festen Job, aber bei den Deutschen muss ich um ein Visum betteln.“ Der Japanologe aus Ankara hat in Fernost gearbeitet, er hat etwas gesehen von der Welt. Das langwierige deutsche Verfahren bei der Visavergabe für Türken empfindet er als erniedrigend. Und er ist nicht allein. Die deutsch-türkische Handelskammer in Istanbul hört immer mehr Beschwerden von Türken, die auf Investitionen in Deutschland verzichten, weil sie immense Probleme bei der Visavergabe haben. Die deutschen Regeln sind darauf angelegt, möglichst wenige Türken durchs Nadelöhr zu lassen – jetzt werden sie den deutschen Unternehmern zufolge zum Mühlstein für den Standort Deutschland.

Das Thema Visumspflicht ist ein Schwerpunkt des Besuches von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in der Türkei, der an diesem Mittwoch beginnt. Rund 200 000 Visaanträge bearbeiten deutsche Auslandsvertretungen in der Türkei pro Jahr. Die türkische Regierung fordert eine völlige Aufhebung des Visumszwangs, die rund 4000 deutschen Unternehmen in der Türkei verlangen zumindest Erleichterungen.

Ein deutscher Geschäftsmann braucht nur einen Ausweis und ein Flugticket, um sofort einen Termin in Istanbul wahrzunehmen. „Sein türkischer Geschäftspartner hingegen muss oft mehrere Wochen warten, bevor er überhaupt seinen Antrag auf Erteilung einer Einreiseerlaubnis abgeben darf“, sagte Franz Koller, der Präsident der deutsch-türkischen Handelskammer in Istanbul, am Dienstag vor Journalisten. Wegen der langen, teuren und komplizierten Visumsprozedur sinkt nach Angaben der Kammer die Bedeutung Deutschlands als Handels- und Investitionspartner der aufstrebenden Wirtschaftsnation Türkei. Ein Grund sei, dass europäische Mitbewerber und Schengen-Staaten wie Frankreich und Italien den Türken bei der Visavergabe weit weniger Steine in den Weg legen. Auch Investitionen seien betroffen, sagte Marc Landau, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Kammer. Türkische Geschäftsleute, die in Deutschland investieren wollten, fragten sich: „Müssen wir uns das antun?“

Ein türkischer Unternehmer, der sich bei der Vertretung Frankreichs oder Italiens ein Schengen- Visum besorgt habe, werde sich überlegen, ob er nicht gleich in Paris oder Mailand mit dortigen Partnern handelseinig werden könne, sagte Koller. „Sie können den deutschen Markt auch von Frankreich, England oder Italien aus beackern.“

Kollers Kammer fordert deshalb kürzere Wartezeiten, weniger Bürokratie und mehr Transparenz bei den deutschen Visa. Bei deutschen Politikern spürt Koller ein Umdenken. Er hoffe deshalb, „dass auf diesem Gebiet tatsächlich etwas passiert“. Im Auswärtigen Amt sieht man die ganze Angelegenheit etwas anders. Die Wartezeiten lägen nicht bei mehreren Wochen, sondern bei mehreren Tagen, hieß es.

Für Maizière steht in der Türkei auch das Thema Integration auf der Tagesordnung. In Ankara trifft er sich unter anderem mit Ali Bardakoglu, dem Leiter des staatlichen Religionsamtes, das die türkischen Imame nach Deutschland schickt. Dabei dürfte Bardakoglu den Gast mit Blick auf die Forderung der CSU nach Deutschkursen für die türkischen Geistlichen über die bereits bestehenden Vorbereitungskurse für Imame informieren. Die Geistlichen erhalten unter anderem einen mehrmonatigen Deutschkurs und lernen die Kultur des Gastlandes kennen.

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