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Politik: Von Bremen lernen

Die Linkspartei will ihren West-Wahlerfolg in Hamburg wiederholen. Das wird nicht einfach

Berlin - Für Oskar Lafontaine ist Bremen erst der Anfang. Im kommenden Jahr, so orakelt der Fraktionschef der Linkspartei, könne seiner Partei auch der Sprung ins hessische und niedersächsische Parlament gelingen. Und Hamburg? Na sowieso. Dort bestünden doch ganz „ähnliche Chancen“ wie in der anderen Hansestadt, meint der Saarländer, der bald auch an der Spitze einer mit der WASG vereinigten Linken stehen wird.

Bodo Ramelow ist skeptischer. Zwar habe die Linkspartei in Bremen „den Nachweis erbracht, dass wir aus eigener Kraft auch im Westen die Fünf-Prozent-Hürde überwinden können“, sagt der Fraktionsvize, der auch Bundeswahlkampfleiter ist. Es gebe eine „zu lösende Aufgabe“ mit nun besser motivierten Wahlkämpfern. Aber keinen Automatismus.

Wahlkampfleiter müssen so etwas wohl sagen, damit die eigene Truppe nicht zu lasch wird. Aber es ist schon bemerkenswert, dass kaum ein Parteienforscher nach den in Bremen errungenen 8,4 Prozent auf weitere Wahlerfolge der Linken wetten will. Vom Saarland abgesehen, wo der Chemnitzer Politikwissenschaftler Eckhard Jesse dank des Heimspiels von Ex-Landesvater Lafontaine gar ein zweistelliges Ergebnis für möglich hält. Aber die Flächenstaaten Hessen, Niedersachsen, Bayern gar? Sehr unwahrscheinlich, meint Jesse. Entscheidend sei, ob die fusionierte Linke intern harmonisiere. Das sei auch und gerade mit Blick auf Lafontaine zu bezweifeln. Schließlich beziehe der Saarländer einerseits linke Positionen von der PDS, betätige sich aber andererseits auch gern als rechter Populist. Er halte es „durchaus für möglich, dass es da noch knallt“, sagt Jesse.

Auch unabhängig davon ist sich der Hamburger Parteienforscher Friedbert Rüb sicher: „Bremen bleibt ein Einzelfall.“ So fehle es der Linken in Hamburg etwa an studentischer Verankerung. Vor allem: „Die Linke hat hier keine herausragenden Köpfe. Sie fristet in der Wahrnehmung der Wähler ein völliges Schattendasein.“

Auch die Bremer Kandidaten seien zunächst unbekannt gewesen, kontert Ramelow. Aus der scheinbaren Schwäche innerer Zerrissenheit habe man aber neue Ideen für den Straßenwahlkampf entwickelt – und mit Peter Erlanson auch einen authentischen Sympathieträger gefunden. Darum werde es auch in Hamburg gehen, sagt der Strippenzieher aus Berlin. „Wir brauchen keine Promis im klassischen Sinne. Wir müssen authentische Personen aktivieren.“

Dass die schon da sind, will Ramelow nicht behaupten. Den Dauerkonflikt der Bundespartei mit den eigenwilligen Hamburger Linken aber nennt er „tiefe Vergangenheit“. Dass die Bundes-PDS weit besser mit der örtlichen Grünen-Abspaltung „Regenbogen“ klarkam als mit den eigenen Leuten? Vergessen. Es werde keine Konflikte zwischen Bund und Land geben, versichert er. Vorausgesetzt, die Hamburger machen sich seine Ansprüche auf effektiven Wahlkampf zu eigen. Mit Professionalität nämlich haben die aus Ramelows Sicht „noch keine Erfahrung“.

Als „närrischen Verein“ und nicht ernst zu nehmende „Sektierer“ spielt denn auch SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann die linke Konkurrenz herunter. Umgekehrt bescheinigen Insider der Hamburger SPD einen „desaströsen Zustand“. Fürchten müsse die Linke vor allem die „gut sortierten“ Grünen, meint der Politologe Rüb. Die könnten „am ehesten das linke Potenzial abschöpfen“. Auch bei Ramelow klingt diesbezüglich Respekt durch: Keinesfalls dürfe man die örtliche GAL mit den Bundesgrünen, die sich mitunter als „grün lackierte FDP“ präsentierten, in einen Topf werfen. Wahlkampftechnisch aber will er genau das tun. Die Linke werde die Wähler natürlich auch in Hamburg an das Abstimmungsverhalten der Grünen im Bund erinnern, kündigt Ramelow an – bezüglich der „Friedensfrage“ und des Afghanistaneinsatzes ebenso wie bei der Rente mit 67. Außerdem bedienten die Grünen die Klientel der Besserverdienenden.

Zwar hofft auch die Linke in Hamburg nach der Airbus-Krise auf Stimmen von gut qualifizierten Angestellten aus Zulieferbetrieben oder von Subunternehmern. Zugleich sollen die 20 Prozent der Gesellschaft erreicht werden, „an die keiner mehr denkt“, wie Ramelow sagt. Arbeitslose, Unqualifizierte, Migranten. Mit denen jedoch werde es die Linke schwieriger haben als in Bremen, prophezeit Rüb. Das sei in Hamburg ein „längst abgekoppeltes Potenzial“, das eher gar nicht wählen gehe. Oder für die CDU stimmen werde, die nun – taktisch geschickt und noch rechtzeitig vor der Wahl – ein Programm für die abgehängten Stadtteile gestartet hat.

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