zum Hauptinhalt

Politik: Vorteil Mutter

Ledige Väter bekommen gegen den Willen ihrer Lebensgefährtinnen kein Sorgerecht. Karlsruhe findet das richtig

Von Ursula Knapp

und Jost Müller-Neuhof

Die Kläger, die vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Änderung der Sorgerechtsregelung für unverheiratete Väter erreichen wollten, sind tief enttäuscht. Und auch etwas überrascht. Tatsächlich hatten auch Prozessbeobachter, die im November vergangenen Jahres die mündliche Verhandlung in Karlsruhe verfolgt hatten, eine stärkere Öffnung hin zu einem gemeinsamen Sorgerecht erwartet. Aber der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts enttäuschte die Erwartungen. Er folgte den Auffassungen, die vom Verband allein erziehender Mütter und Väter (VAMV), aber auch von der Bundesregierung vertreten werden. Ein Sorgerecht für unverheiratete Väter gegen den Willen der Mutter bringe für das Kind mehr Nachteile als Vorteile. Das ist die zentrale Begründung des Karlsruher Urteils.

Die klagenden Väter hatten eine vollständige Gleichberechtigung von ehelichen und nicht ehelichen Vätern erreichen wollen. Dass sich die acht Verfassungsrichterinnen und -richter dem nicht anschließen würden, war klar. Aber was, wenn der Vater viele Jahre lang unverheiratet mit Mutter und Kind zusammenlebte, bis die Mutter mit dem Kind auszog? Sollte er in solchen Fällen nicht das Recht erhalten, das Familiengericht anzurufen und eine Überprüfung zu fordern? Nein, befand jetzt der Erste Senat.

Denn, so die Begründung, nicht eheliche Kinder würden in völlig unterschiedliche Situationen hineingeboren. Dass deshalb das Sorgerecht bei nicht ehelichen Kindern immer der Mutter zugeordnet werde, sei nicht zu beanstanden. Nur 5,4 Prozent der nicht ehelichen Kinder, rechnen die Karlsruher Richter in ihrem Urteil vor, lebten mit ihren in einer Lebensgemeinschaft verbundenen Eltern zusammen. Die harmonische Nicht- Ehe ist also nicht der Regelfall unter den jungen Eltern. Auch wenn ihr Anteil beständig zunimmt. Die moderne Patchworkfamilie, in der durchaus auch mal die Gefährten wechseln, hat auch im Umgang mit nichtehelichen Kindern Spuren hinterlassen. „Kind und Kegel“, das gilt heute nicht mehr. „Nichteheliche Kinder werden heute im Allgemeinen nicht mehr diskriminiert“, sagt Peggi Liebisch vom VAMV. Dazu beigetragen hätte auch ein liberaleres Namensrecht: Heute ist es nicht mehr ungewöhnlich, wenn ein leibliches Kind einen anderen Namen trägt als den des Vaters oder umgekehrt den der Mutter.

Trotzdem muss ihnen das Gesetz, das ihnen seit 1998 erlaubt, sich einvernehmlich das gemeinsame Sorgerecht zu gewähren, reichen. Mehr, so das Urteil, verlange die Verfassung nicht. Denn könne sich die Mutter nicht entschließen, auch dem Vater ein Sorgerecht zu geben, müsse man von gewichtigen Gründen ausgehen. Es dürfe angenommen werden, dass die Mutter die Entscheidung im Interesse des Kindeswohles trifft.

Allerdings, so der achtköpfige Senat weiter, müsse der Gesetzgeber die Entwicklung beobachten. Sollten viele nicht verheiratete Mütter dem Vater das Sorgerecht entgegen den Interessen des Kindes verweigern, müsse er über eine Korrektur nachdenken. Bisher gebe es hierfür aber keine Anzeichen.

Einen kleinen Sieg errangen die klagenden Väter aber doch. In Fällen, in denen sich die Paare vor 1998 trennten und somit die Möglichkeit einer gemeinsamen Sorge nicht bestand, können die Väter jetzt eine Kontrolle verlangen. Die Familiengerichte müssen in diesen Altfällen überprüfen, ob ein gemeinsames Sorgerecht dem Kindeswohl entspricht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false