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Mehrere Hundert Teilnehmer einer Demonstration ziehen mit Flaggen vom Königreich Preußen (schwarz-weiß-schwarz mit Adler) durch die Dresdner Innenstadt. (Archivbild)

© dpa/Daniel Schäfer

Update

Razzia gegen „Reichsbürger“ in acht Bundesländern: Polizei beschlagnahmt Schreckschusswaffe und Reizstoffgeräte

Etwa 280 Einsatzkräfte haben Objekte durchsucht, die der Szene zugeordnet werden. Der Verfassungsschutz geht von etwa 23.000 „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ deutschlandweit aus.

| Update:

Rund 280 Einsatzkräfte haben am Donnerstag in acht Bundesländern mehrere Objekte im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen „Reichsbürger“ durchsucht. Nach dpa-Informationen wird den 20 Beschuldigten die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.

Unter Leitung der Generalstaatsanwaltschaft München waren bei den Razzien nach dpa-Informationen Polizisten in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, Brandenburg, Hamburg und Niedersachsen im Einsatz.

Datenträger und Schreckschusswaffe gefunden

Ermittler haben bei den Durchsuchungen unter anderem Datenträger und eine Schreckschusswaffe gefunden. Auch Reizstoffgeräte seien sichergestellt worden, teilten das bayerische Innen- und Justizministerium in einer gemeinsamen Mitteilung mit.

Die Beschuldigten sollen demnach unter anderem versucht haben, durch massenhafte Kontaktaufnahmen Behörden zu blockieren. Es seien zahlreiche Beweismittel wie Laptops und Smartphones beschlagnahmt worden.

Den Angaben zufolge waren seit Anfang 2021 mehrere Kanäle des Diensts Telegram in den Fokus der Polizei geraten, weil dort für Reichsbürger typische Thesen und Verschwörungstheorien verbreitet wurden. Ab August 2021 sei angeblichen Opfern staatlichen Handelns „Hilfe“ angeboten worden. Der Betreiber der Kanäle habe hierbei die massenhafte Kontaktaufnahme mit Behörden durch Telefon und E-Mail organisiert, um diese zu Entscheidungen im Sinn der Mitglieder der Vereinigung zu zwingen.

Behördenmitarbeiter mit Tod bedroht

Dabei seien die Behördenmitarbeiter mit Reichsbürgerthesen konfrontiert, der Begehung von Menschenrechts- und Kriegsverbrechen bezichtigt, beleidigt und teilweise mit dem Tod bedroht worden. Als Betreiber der Telegram-Accounts konnte ein 58-Jähriger aus Olching bei München ermittelt werden, der im November 2021 festgenommen wurde. Die Razzia richtete sich nun gegen weitere Mitglieder der mutmaßlichen kriminellen Vereinigung.

„Alle Beweismittel werden akribisch ausgewertet“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Donnerstag. Die Ermittler erhofften sich „eine weitere Aufhellung des Reichsbürgerumfelds“. Weitere Ermittlungen seien nicht ausgeschlossen. Nach der Auswertung prüfe die Generalstaatsanwaltschaft in jedem Einzelfall, ob genügend Beweise für eine Anklage vorliegen.

Außerhalb der sozialen Netzwerke sollen die Verdächtigen aber nicht aktiv geworden sein. „Zu konkreten Übergriffen ist es laut den Erkenntnissen unserer Ermittler bislang nicht gekommen“, sagte Herrmann.

Der mutmaßliche Rädelsführer lebe im Landkreis Fürstenfeldbruck. Da es bei ihm bereits im Vorfeld der Razzia eine Durchsuchung gab, sei er aber nicht von der Razzia betroffen gewesen. Die Beschuldigten sind den Angaben zufolge im Alter von 25 bis 74 Jahren.

Reichsbürger sollen jederzeit mit Durchsuchungen rechnen

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) sagte: „Wer unseren Rechtsstaat leugnet und die Grenze zum Strafrecht überschreitet, muss jederzeit mit unangemeldetem Besuch von Polizei und Staatsanwaltschaft rechnen.“

Erst im Oktober hatten Einsatzkräfte in mehreren Bundesländern zahlreiche Wohnungen sogenannter Reichsbürger durchsucht, die dem Umfeld der mutmaßlichen Terrorgruppe „Vereinte Patrioten“ zugerechnet wurden. Dabei wurden insgesamt fünf Verdächtige festgenommen.

„Reichsbürger“ sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ 2022 deutschlandweit etwa 23.000 Menschen zu, 2000 mehr als im Vorjahr. Allein in Bayern umfasst die Reichsbürgerszene dem bayerischen Innenministerium zufolge mit Stand 30. September 5549 Menschen. Das sind demnach 189 mehr als Ende 2022. 450 von ihnen stufen die bayerischen Behörden als gewaltorientiert ein. (dpa, AFP)

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