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Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag in Sloviansk vor einer zerstörten Brücke.

© Rainer Jensen/dpa

Waffenruhe: Steinmeier erstmals im Konfliktgebiet der Ukraine

Die Außenminister Steinmeier und Ayrault haben am Donnerstag gemeinsam die Ostukraine besucht. Der Waffenstillstand soll Hoffnung machen auf eine politische Lösung der langen und schweren Krise.

Eine solch ruhige Nacht hatten die Bewohner dieser Gegend schon lange nicht mehr gehabt, freute sich der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag in Slowjansk. Zusammen mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Marc Ayrault waren die beiden erstmals seit Beginn der Ukrainekonflikts im Frühjahr 2014 direkt ins Konfliktgebiet gereist.

Tags zuvor hatten sie in Kiew einen zunächst siebentägigen Waffenstillstand zwischen Kiewer Regierungstruppen und den prorussischen Separatisten im Donbass verkündet. Die beiden hegen die Hoffnung, dass daraus ein dauerhafter Waffenstillstand entsteht und bereits am Dienstag ein neuer Vertrag über die Demilitarisierung einiger Stellen an der Frontlinie abgeschlossen werden kann.

In dem von Kiew kontrollierten Nord-Donbass besuchten Steinmeier und Ayrault am Donnerstag auch das Hauptquartier der OSZE-Beobachtermission in Kramatorsk, rund 25 Kilometer von einem inzwischen eher ruhigen Frontabschnitt entfernt. Steinmeier ist in diesem Jahr auch OSZE-Vorsitzender. Seit Mitternacht sei es entlang der 400 Kilometer langen Frontlinie ruhig, bestätigte dort OSZE-Missionschef Ertugrul Apakan.

Laut Kiewer Angaben gab es seit Beginn der neuen Waffenruhe um Mitternacht nur sechs Waffenstillstandsverletzungen – keine davon mit schweren Waffen. „Wir stellen eine sichtbare Deeskalation fest“, sagte Alexander Motusjanik. Noch in der Nacht zuvor waren drei ukrainische Regierungssoldaten bei Schusswechseln verletzt worden. Seit Anfang der Woche hatten die Regierungstruppen drei Tote zu beklagen.

„Es hat seit Mitternacht kaum noch Verletzungen des Waffenstillstands gegeben. Natürlich ist es zu früh, daraus abzuleiten, dass das dauerhaft sein wird. Das hängt von der Bereitschaft der Konfliktparteien ab, sich zu bewegen“, mahnte Steinmeier jedoch in Kramatorsk.

Wütende Demonstranten

Die beiden Außenminister waren dort von Dutzenden wütenden Demonstranten empfangen worden, die sich gegen die vor allem von Frankreich und Russland angemahnten Sonderrechte für den Donbass aussprachen. „Nein zum Sonderstatus für den Donbass“ und „Wir sind Ukraine!“ stand auf ihren Transparenten. „Wir werden uns bemühen, die bestehenden Unterschiede zwischen Russland und der Ukraine zu einer Lösung zu bringen“, kommentierte Steinmeier trocken.

Deutschland und Frankreich bemühen sich seit einigen Wochen, den ins Stocken geratene Friedensprozess zu retten und die Verhandlungen darüber im Normandie-Format (Russland, Ukraine, Frankreich und Deutschland) wieder in Gang zu bringen. Zuletzt hatte vor allem der Kreml wenig Interesse an einem neuen Gipfeltreffen gezeigt. Auf Außenministerebene war es letztmals im Mai zu einem Treffen gekommen, die vier Staatspräsidenten trafen sich letztmals im Oktober 2015 in Paris. Nun besteht die Hoffnung, dass es im Oktober in Berlin zu einer Wiederholung kommen könnte. Moskau bleibt indes vorsichtig. „Es muss vor allem über die konkrete Umsetzung des Minsker Friedensabkommens gesprochen werden“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Gemäß Minsker Friedensabkommen vom Februar 2015 sollten die Waffen schon lange schweigen. Die Krux allerdings ist, dass das von der Normandie-Gruppe ausgehandelte Abkommen damals zwar die heiße Kampfphase stoppte, das Vertragswerk selbst aber äußerst komplex ist. Russland drängt seitdem vor allem auf eine in der Ukraine höchst umstrittene Verfassungsänderung, die den heute von den beiden selbst ernannten prorussischen „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk weitgehende Autonomierechte – sogar mit einer eigenen Volksmiliz – zugestehen würde.

Vor Jahresfrist kam es in Kiew beim Versuch des ukrainischen Parlaments, diesen Punkt des Friedensvertrages umzusetzen, zu blutigen Auseinandersetzungen mit mehreren Toten. Auf der andern Seite weigert sich Russland, Kiew die ebenfalls festgeschriebene direkte Kontrolle über die ukrainisch-russische Staatsgrenze im Osten des Donbass zu ermöglichen. Stattdessen versorgt der Kreml die Separatisten erwiesenermaßen über diese Grenze mit Waffen und auch neuen Kämpfern.

Eine direkte Beteiligung an dem Konflikt streitet Moskau seit Beginn des Konflikts jedoch standhaft ab. Von den Ukrainern aufgefangene russische Soldaten erweisen sich immer als Privatpersonen, die freiwillig im Urlaub in den Donbass gefahren seien, um dort mit den lokalen Separatisten zu kämpfen.

Nicht nur in Kiew heißt es, der Krieg im Donbass hätte schon lange gestoppt werden können, wenn Russland die prorussischen Separatisten nicht mit Waffen beliefern würde. Frank-Walter Steinmeier wählte am Mittwoch in Kiew eine diplomatischere Erklärung: „Die Wahrheit ist, dass der Fortschritt bei der Umsetzung von Minsk in diesem Jahr eine Schnecke und sogar eine ziemlich langsame war.“

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