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Dora Heyenn, die Spitzenkandidatin der Linken für die Bürgerschaftswahl am 20. Februar in Hamburg.

© dpa

Wahlen in Hamburg: Genossen im Sturmtief

Die Hamburger Linkspartei bangt um den Wiedereinzug ins Rathaus – ein Scheitern würde eine Debatte über den West-Aufbau nach sich ziehen.

Es ist typisch norddeutsches „Schietwetter“, doch Wind und Dauerregen trotzend steht Dora Heyenn, die Spitzenkandidatin der Linken für die Bürgerschaftswahl am 20. Februar in Hamburg, an der U-Bahn-Station in Farmsen und verteilt Flyer, auch wenn angesichts des miesen Wetters kaum jemand das Gespräch sucht.

Ihre Partei steht unter genauer Beobachtung – von den Genossen aus dem Karl-Liebknecht-Haus in Berlin. In der Parteizentrale weiß man, dass beim Scheitern des Wiedereinzugs ins Hamburger Rathaus die Debatte um die Linke in Westparlamenten neu aufkeimt, zumal kurz nach Hamburg ja noch die schwierigeren Wahlen in den Flächenländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz anstehen. 2008 war der erstmalige Einzug ins Hamburger Parlament kein Selbstläufer, galt der Landesverband doch als zerstrittener Haufen, für den die Bundespartei im Wahlkampf nur das Nötigste tat. Das Scheitern an der Fünfprozenthürde wäre vor drei Jahren kein Beinbruch gewesen, umso mehr erfreuten dann die 6,4 Prozent – acht Mandate. Seit 2007 hat die Partei in der Elbmetropole ihre Mitgliederzahl auf nunmehr 1500 fast verdoppelt. Und auch deshalb liegt die Messlatte heute höher: Der Einzug in die Bürgerschaft ist Pflicht, und die Bundespartei lässt es nicht an Unterstützung fehlen. Das Budget für den Wahlkampf ist auf 300 000 Euro hochgeschraubt, und es sind Dutzende Wahlhelfer aus Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein im Einsatz.

„Ich bin keine Gutwetterpolitikerin“, sagt die 61-jährige Heyenn und blickt kurz gen Himmel. Die Fraktionsvorsitzende ist nicht auf den Mund gefallen und lässt sich diesen erst recht nicht verbieten. Sie scheut keine Auseinandersetzung, kann dann auch mal öffentlich sagen, dass ein Bodo Ramelow „lieber die Klappe halten“ möge oder, die Parteihierarchie diskutierend, „Wer ist ein Dietmar Bartsch?“

Der Gegenwind durch die öffentliche Kommunismusdebatte Anfang des Jahres, ausgelöst durch die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch, bescherte Heyenns Partei in den Umfragen ein Abrutschen unter fünf Prozent und nötigte die Lehrerin immer wieder zu erklären, ja, auch im Hamburger Landesverband gebe es Vertreter der Kommunistischen Plattform, „aber das sind nur zwei Prozent“. Fraktionskollegin Christiane Schneider hatte in ihrer Jungfernrede 2008 im Parlament in einer Debatte zum Thema Menschenrechte den Dalai Lama mit dem iranischen Revolutionsführer Ajatollah Chomeini verglichen. „Man hat sie nur nicht richtig verstanden“, hält Heyenn noch heute schützend ihre Hand über Schneider – manches erinnert an die Lötzsch-Debatte.

Durch fundierte oppositionelle Parlamentsarbeit hat die Linke sich inzwischen Respekt verschafft. Fraktionsgeschäftsführerin Christiane Schneider sieht die Linke als Partei der „kleinen Leute“ Am meisten schielt die Linke immer noch auf die SPD. „Gott bewahre uns vor einer absoluten Mehrheit der Sozialdemokraten“, seufzt Heyenn, selbst früher 28 Jahre lang SPD-Mitglied. Deren Bürgermeisterkandidat Olaf Scholz ist als früherer Bundesarbeitsminister das „Feindbild“ schlechthin. Sie nennt ihn so oft wie möglich „Architekt der Agenda 2010“, der „die Arbeiterbewegung verraten“ habe. Hartz IV ist das Hauptthema, wenn die Linken an den Ständen in der Stadt angesprochen werden.

Es sind anstrengende Tage für Heyenn. Sie kann dem Sturmtief „Lukas“ sogar noch etwas Positives abgewinnen: „Dann sind mehr Leute zu Hause“, sagt sie mit Blick auf die nächsten Wahlkampfstunden, wenn sie sich in ihrem Wahlkreis in einer Hochhaussiedlung von Wohnungstür zu Wohnungstür durchklingelt und dort Chilischoten verteilt mit dem Hinweis „Würzen Sie die Hamburger Politik“. 300 Haustürbesuche hat sie sich vorgenommen – im gesamten Wahlkampf werden es wohl 3000. Heyenns persönliches Wahlziel: Die 6,4 Prozent toppen.

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