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© New Line Cinema

Wahlkampf-Kolumne: (Un)orientiert

Alle retten dem Dativ. Dabei ist Wichtigeres bedroht. Robert Birnbaum über den Kompass, ein malträtiertes Utensil.

Von Robert Birnbaum

Wenn einer der deutschen Sprache Gewalt antut, sind sie immer sofort zur Stelle – die Sprachschützer, die Unwort-Verleiher, die Oberstudiendirektoren a.D. Alle retten dem Dativ. Dabei ist Wichtigeres bedroht. Wer rettet den Kompass? Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie vielleicht, zuständigkeithalber? Wanderbewegung Magdeburg e.V., wie wär’s mit einem Sondereinsatz? Pfadfinderschaft Sankt Georg, wo bleibt die gute Tat? Denn dem Kompass wird arge Gewalt angetan in diesem Wahlkampf. Der Kanzlerkandidat malträtiert ihn. Bei Fraktionsvorsitzenden ist er in schlechten Händen. Sogar die Bundesministerin für Bildung und Forschung spielt ihm übel mit. Denn auf den Marktplätzen stehen sie und rufen aus: „Wir haben den richtigen Kompass!“

Nun ist aber ein Kompass ein Gerät, das nach Norden zeigt. Immer. Ein FDP-Kompass weist so unbeirrbar auf den Nordpol wie ein SPD-Kompass. Ein CDU-Kompass verfügt über keinerlei Westbindung. Nicht einmal eine Linken- Kompassnadel ist je dabei ertappt worden, dass sie nächtens heimlich drei Strich gen Ost sich schleicht. Ein Kompass, der nicht nach Norden deutet, ist kein falscher, sondern gar keiner.

Nun hören wir schon die Oberstudiendirektoren a.D. und die Generalsekretäre einwenden: Was aber, wenn einer das Ding so oft hingeschmissen hat, dass sich der Zeiger nicht mehr frei bewegt? Dann ist das immer noch kein falscher Kompass, sondern ein kaputter. Doch was, fragen die Neunmalklugen weiter, wenn einer einen Magneten in die Nähe hält? Dann ist das trotzdem kein falscher Kompass, sondern bloß ein falscher Mensch. Und vor solchen gilt es ihn zu schützen. Wähler, ihr habt es in der Hand! Rettet dem Kompass!

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