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Nicht gerade lecker war, was in den letzten Wochen rund um die AfD passiert ist - der Vorstand rechnet mit einigen Austritten.

© Hannibal Hanschke/dpa

Warum Parteien wie die AfD scheitern: Von Querulanten, Glücksrittern und Vereinsmeiern

Die AfD steckt in der Krise - vor ihr sind schon Republikaner und Schill-Partei gescheitert. Warum rechtspopulistische Parteien in Deutschland keinen Erfolg haben. Ein Gastkommentar.

Ein Kommentar von Florian Hartleb

Eigentlich waren die Aussichten der AfD (Alternative für Deutschland) glänzend: Sie wurde als Reaktion auf die Euro-Rettungspolitik gegründet. Die Ausrichtung der AfD schien viel versprechend: eurokritisch, wirtschaftsliberal und patriotisch, deutlich gemäßigter als etwa die österreichische FPÖ oder der französische Front National. Als Strippenzieher fungierte der Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, Wirtschaftseliten wie Hans-Olaf Henkel, Ex-Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, beteiligten sich neben einigen ehemaligen CDU-Politikern. Die AfD zog bereits in einige Landtage und fast in den Bundestag ein. Nun zerfleischt sie sich ohne Not selber.

Die etablierten Parteien freut es

Der jüngste Parteitag gab ein desaströses Bild ab: Die Partei wählte nach heftigen Flügelkämpfen ihren Vorsitzenden Lucke ab, ergötzt sich an Richtungsstreitigkeiten und wird radikaler. Lucke trat umgehend aus und gründete die neue Partei Alfa (Allianz für Fortschritt und Aufbruch). Lucke bekämpft nun die Lucke-Partei mit einer Alternative zur Alternative, die nicht-populistisch sein soll. Das sind erneut keine gute Aussichten – für AfD und Alfa. Die etablierten Parteien erfreuen sich am bizarren Treiben.

Man denke zurück. Die Anti-Euro-Partei Bund Freier Bürger, im Zuge von Maastricht aussichtsreich gegründet, radikalisierte sich und verlor ihre Glaubwürdigkeit als bürgerlich-liberale Kraft. Bei der Hamburger Statt-Partei, 1994 gerade in die Bürgerschaft gekommen, wurde einst der Parteigründer an der Krawatte aus den Versammlungsraum gezogen. Die Republikaner entmachteten den langjährigen Vorsitzenden Franz Schönhuber. Auch sie radikalisierten sich bis hin zur Bedeutungslosigkeit. Mit der Schill-Partei lief es Jahre später ähnlich. Ronald Schill ist längst Geschichte. Bernd Lucke fügt sich nahtlos ein. Typisch ist auch eine Parteineugründung, was den Zerfall nur beschleunigen wird. Auch Schill trat einst gegen die Schill-Partei an.

Warum scheint sich in Deutschland keine neue Partei festzusetzen? Die rechtspopulistischen Herausforderer sind dort mit zwei Hemmnissen konfrontiert: Zum einen agieren sie in einem durch die NS-Vergangenheit höchst empfindlichen öffentlichen und medialen Umfeld, in dem sie leicht stigmatisiert werden können. Viele Medien haben starke Berührungsängste. Auch die AfD bekam ihre Probleme mit Rechtsaußen-Trittbrettfahrern immer weniger in den Griff, was die Glaubwürdigkeit nachhaltig schädigte. Eigentlich wollte sie ja eine liberale Partei sein.

Gravierende organisatorische Probleme

Zum anderen haben rechtspopulistische Parteien gravierende organisatorische Probleme, die eine charismatische Führerfigur allenfalls kurzzeitig überwinden kann. Sobald das Projekt erfolgreich gestartet ist, sind Organisationsentwicklung und Strukturbildung im föderalen Deutschland schwierig. Schnell kommt es zu Grabenkämpfen in einzelnen Landesverbänden. Die Parteien haben viele Querulanten, Glücksritter und Vereinsmeier in ihren Reihen. Oft treten führende Gründungsmitglieder aus, wie jetzt in der AfD. Opportunisten verlassen ebenso schnell das sinkende Schiff.

In Deutschland mangelt es keineswegs an der Mobilisierbarkeit für typische rechtspopulistische Themen – von Einwanderungspolitik über Kriminalitätsbekämpfung bis EU. Gerade jetzt im Zuge der Flüchtlingsproblematik und umstrittenen Griechenland-Rettung sind die Gelegenheiten eigentlich besser denn je: Es rumort in der Bevölkerung. Viel ist von “Wutbürgern” die Rede.

Luckes Einsatz war immens: Nach seiner Wahl zum EU-Abgeordneten musste er die AfD von Brüssel aus steuern. Lucke hielt sich mit seiner professoralen Überheblichkeit lange für unantastbar, wie einst Schönhuber, Schill & Co. Er nahm die Zahl seiner TV-Auftritte als Maßstab für seine politische Bedeutung. Identität durch gemeinsame Wut und Enttäuschung oder Ablehnung mögen die Gründung einer Partei und deren Aufstieg beschleunigen. Dann folgt aber oft der Abstieg. Ist das Image erst einmal ruiniert, scheint ein Wiederaufbau kaum noch möglich. Der parteiförmige Rechtspopulismus hat in Deutschland wenig Chancen, auch durch eigenes Unvermögen.

Der Autor ist Politikwissenschaftler und Politikberater.

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