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Olaf Scholz (SPD), Bundesminister der Finanzen, beim "Global Solutions Summit"

© dpa/Kay Nietfeld

Global Solutions Summit: Was die Welt bewegt...

Klimakrise, Gewalt, Armut – zwei Tage sammeln Experten und Politiker Vorschläge für die Lösung der drängendsten Probleme unserer Zeit. Eindrücke vom Auftakt.

Von Hans Monath

Die politischen Verhältnisse, sie sind nicht besser und nicht einfacher geworden in dem einen Jahr, das seit dem letzten Global Solutions Summit vergangen ist. "Die gegenwärtige liberale Welt wird infrage gestellt", konstatierte Dennis J. Snower in seiner Eröffnungsrede des bislang dritten Gipfels am Montag – und dann zählte der Mitbegründer der Global Solutions Initiative und des Wissenschaftsnetzwerks von Thinktanks (T20) die Symptome der Krise auf: die wachsende Enttäuschung über die liberale Demokratie als Verkünderin des politischen Willens; die anschwellende Kritik am Kapitalismus; das steigende Misstrauen gegenüber Regierungen, Parteien, internationalen Institutionen, Firmen, Medien und Nichtregierungsorganisationen; der Aufstieg von Bewegungen, die nationale oder religiöse Überlegenheit propagieren; der Vormarsch des Populismus und der nachlassende politische Wille, auf multilaterale Herausforderungen mit multilateralen Lösungen zu antworten.

Transnationale Probleme, so die Diagnose des früheren Präsidenten des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, verbreiten sich. "Tragisch gering" seien dagegen die Fortschritte, die der Welt gelängen. Zu wenig gehe es voran beim Kampf gegen den Klimawandel, beim Eindämmen protektionistischen Drucks, beim Aufbau eines Weltregelwerks für Cybersecurity, bei den Antworten auf humanitäre Albträume und stärker werdende "Failed States", beim Umgang mit Flüchtlingen, Binnenvertriebenen und vielen anderen Herausforderungen.

Zum Gipfelthema "Paradigma Change to recouple the world" (etwa: Paradigmenwechsel zur Wiederversöhnung der Welt mit sich selbst) schlug Snower vor, eine "moralische Erzählung" für die multilaterale Kooperation zu entwickeln. Politischer, ökonomischer, technischer Fortschritt müssten wieder mit sozialem Fortschritt verknüpft werden. Die Wahrnehmung von "wir und die anderen" müsste zu einer Erzählung von "wir und wir" umgestaltet werden. Die wünschenswerte transnationale Identität müsse gar nicht in Konkurrenz treten zur nationalen Identität. "Die Integration der Weltwirtschaft und unser Fußabdruck auf die globale Umwelt verlangt die Entwicklung moralischer Narrative, die uns dazu verleiten, auf transnationaler, manchmal globaler Ebene zu kooperieren, während wir gleichzeitig schmaleren Einheiten angehören, die lokale oder nationale Herausforderungen bearbeiten."

Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der erste von vier SPD-Ministerinnen und -Ministern, die am ersten Tag der Konferenz sprachen (neben Scholz Arbeitsminister Hubertus Heil, Umweltministerin Svenja Schulze und Justizministerin Katarina Barley) bekannte sich entschieden zum Multilateralismus, beschrieb die Entwicklung der Welt aber etwas optimistischer als Snower. "Vor allem im Nachklang der Finanzkrise 2008 haben die G20 gezeigt, dass sie Probleme lösen können", meinte der Sozialdemokrat und zählte internationale Initiativen auf, von denen er Fortschritte erwartet. So arbeite die Europäische Union daran, dass freier Handel auch der Entwicklung ärmerer Länder helfe. "Ohne Menschenrechte, Arbeitsschutzstandards und ökologische Standards gibt es keinen Fair Trade", sagte er.

Der Pragmatiker Olaf Scholz lobt Greta Thunberg

Scharf attackierte Scholz die Praxis internationaler Konzerne, sich einer angemessenen Besteuerung zu entziehen. "Das akzeptieren wir nicht", sagte der Minister, denn damit werde auch das Vertrauen steuerzahlender Bürger in den Staat untergraben. Im Kampf gegen Steuerdumping von Ländern untereinander erwartet er Fortschritte bei der Einigung auf einen internationalen Mindeststandard für Steuern. "Ich bin sicher, wir werden Mitte des Jahres 2020 eine Lösung finden", erklärte er und zeigte sich auch im Hinblick auf die USA optimistisch. Schließlich stehe das Thema schon auf der Agenda der G7 und der G20. Ungewohnt emotional bekannte sich der Hanseat, der als kühler Pragmatiker gilt, zum Ziel, Klima und Umwelt zu schützen. Und er lobte die Klimaaktivistin Greta Thunberg und deren Mitstreiterinnen und Mitstreiter, ohne sie wie mancher andere Politiker an die Schulpflicht zu erinnern: "Unsere Kinder und ihre Fridays-for-Future-Initiative haben verstanden, was auf dem Spiel steht!" Auch das Problem schmelzender Eismassen an den Polen ist dem Vizekanzler bewusst, wie er auf eine Zuschauerfrage bekannte. "Wir müssen und wir werden uns in den G20 darum kümmern", versicherte er: "Denn wenn wir das nicht tun, werden wir sehr unter diesem Problem leiden."

Mit einem aktuellen und traurigen Hinweis begann der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans: Der Niederländer verwies auf die aktuelle Nachricht von der Schießerei einer Straßenbahn in Utrecht – womöglich eine Nachahmungstat des Massakers im neuseeländischen Christchurch. "Wenn es eines Beweises gebraucht hätte, dass Probleme global sind – hier ist er", meinte der Sozialdemokrat, bevor er ein Bekenntnis zu Europa ablegte ("Das erfolgreichste Friedensprojekt, das dieser Kontinent je erlebt hat") und dem Nationalismus den Kampf ansagte.

Europa müsse endlich seiner Verantwortung für den Nachbarkontinent Afrika gerecht werden, forderte Timmermans. Dazu brauche es "massive Investitionen" auf dem Kontinent. Der Kommissions-Vize forderte ein Studenten-Austauschprogramm nach dem "Erasmus"-Vorbild mit Afrika, weil erst der kulturelle Austausch junger Menschen Verständnis ermögliche. Die Brücke über das Mittelmeer zu schlagen, sei die "Aufgabe der Zukunft", mahnte der Niederländer.

Snower hätte den T20-Prozess und den Global Solutions Summit wohl nicht mit angeschoben, wenn er nicht von einem Gedanken überzeugt wäre, den er in seiner Eröffnungsrede in die Worte fasste: "Das Ziel, die Welt wieder zusammenzuführen, ist heute noch ein Traum. Aber morgen könnte dieser Traum Wirklichkeit werden." Der Wirtschaftswissenschaftler wird sich keine Illusionen machen, welche Schwierigkeiten davor noch zu überwinden sind. Im nächsten Jahr übernimmt Saudi-Arabien den Vorsitz von Japan. Es dürfte ein Härtetest werden, wie die Werte, für welche die Global Solutions Initiative einsteht, mit der politischen und gesellschaftlichen Praxis in dem wahabitischen Königreich zu vereinbaren sind.

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