zum Hauptinhalt

Politik: Was war die "Staatsbürgerliche Vereinigung"? - Eine kurze Chronologie

Manchmal ist Geld einfach weg, verschwunden. Niemand weiß, wo es hin ist.

Manchmal ist Geld einfach weg, verschwunden. Niemand weiß, wo es hin ist. So war es beispielsweise bei jenen acht Millionen Mark, die die so genannte "Staatsbürgerliche Vereinigung" (SV) Anfang der achtziger Jahre irgendwo "verbuddelte". Manchmal taucht Geld aber auch plötzlich wieder auf. Vielleicht auch ein Teil der rund 17,7 Millionen Mark, die die hessische CDU 1983 ins Ausland geschafft hat. Noch ist zwar längst nichts bewiesen, aber Experten gehen davon aus, dass es sich dabei um die Millionenbeträge handeln könnte, die die SV seinerzeit an einem unbekannten Ort parkte. Wer und was aber ist eigentlich die SV, wie hat sie gearbeitet? Im Folgenden eine kurze Chronologie.

Schon 1949 schlossen sich im "Pyrmonter Abkommen" Wirtschaftsverbände zusammen, um die "Wirtschaftspolitik von Herrn Prof. Erhard tragenden Parteien" mit einem Wahlfonds zu unterstützen. Nur einige Jahre später kritisierte der SPD-Vorstand die Verschleierung der Parteifinanzierung mittels Zuwendung von Unternehmen an gemeinnützige Vereine. Der bekannteste von ihnen war die "Staatsbürgerliche Vereinigung 1954 e.V.", der mit Adenauers Hilfe gegründet worden war und der einen ähnlichen Schlüssel zur Verteilung der Spenden vorsah, wie das "Pyrmonter Abkommen"

Die große Zeit der SV aber kam erst in den 60er und 70er Jahren. Das lag vor allem daran, dass das Bundesverfassungsgericht 1958 Begünstigungsmöglichkeiten durch Großspenden an politische Parteien, die das Steuerrecht seit 1954 erlaubte, wegen Verstoßes gegen das Grundrecht der Chancengleichheit für verfassungswidrig erklärt hatte. Doch von diesem Richterspruch waren nur direkte Zahlungen an die Parteien betroffen, die Praxis hinsichtlich Spenden für staatspolitische Zwecke blieb unangetastet. Die Blütezeit der staatspolitischen Vereinigungen und parteinahen Stiftungen begann.

Da ein Steuerhinterziehungsverein auch einen freundlichen Fiskus braucht, verlegte die SV früh ihren Sitz von Köln nach Mainz, wo die Christdemokraten das Sagen hatten. Eine zentrale Bezugsperson war der damalige Ministerpräsident, der von 1969 bis 1976 Rheinland-Pflaz regierte: Helmut Kohl.

Die SV war nicht die einzige Spendenwaschanlage. Schon Mitte der Siebziger Jahre war Klaus Förster, Leiter der Steuerfahndungsstelle St. Augustin, auf die "Europäische Unternehmensberatungsanstalt" (EU) gestoßen. Nach und nach kamen weitere "Waschanlagen", getarnt als gemeinnützige Vereine, zum Vorschein. Das Prinzip war einfach: Unternehmen sparten Steuern, wenn sie Spenden nicht direkt an Parteien, sondern über den Umweg eines gemeinnützigen Vereins leisteten.

Die Ermittlungen, die Klaus Förster angefangen hatte und selbst nicht zu Ende bringen durfte, mündeten zum Beispiel in den "Flick-Prozess" und den Parteispenden-Prozess gegen den CDU-Bundesschatzmeister Walter Leisler Kiep (1971 bis 1992) und seinen Generalbevollmächtigten Uwe Lüthje. Die Vorwürfe: Beide hätten an der Umwegfinanzierung von 18,5 Millionen Mark Parteispenden an die CDU über die SV mitgewirkt und den Fiskus um mehr als neun Millionen Mark Steuereinnahmen gebracht. Einen Tag vor Beginn des Prozesses im Mai 1980 wurde die SV im Koblenzer Vereinsregister gelöscht. Insgesamt aber sollen über die "Staatsbürgerliche Vereinigung" zwischen 1969 und 1980 rund 214 Millionen Mark am Finanzamt vorbei vor allem an die Union geflossen sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false