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Weißrussland: Minsk erhebt Vorwürfe gegen Berlin

Vier Wochen nach der massiven Niederschlagung von Protesten der Opposition wirft Weißrussland dem Westen vor, einen Umsturz nach dem Vorbild farbiger Revolutionen geplant und unterstützt zu haben.

Berlin - „Es gibt keinerlei Zweifel, dass bei den Ereignissen vom 19. Dezember vor allem die Geheimdienste Deutschlands und Polens ihre Hand im Spiel hatten“, schrieb die Staatszeitung „Sowjetskaja Belorussija“ (Sowjetisches Weißrussland) am Freitag mit Blick auf den Tag der Präsidentenwahl. Das Blatt ist das Organ des autoritär regierenden Staatschefs Alexander Lukaschenko und veröffentlichte „auf Anweisung des Staatsoberhaupts“ bisher geheime Dokumente, die die Verwicklung des Westens in die Ereignisse belegen sollen. „Die Anschuldigungen sind abwegig und entbehren jeder Grundlage“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin, Andreas Peschke.

Die deutschen und polnischen Geheimdienste hätten die Oppositionsbewegung „Sag die Wahrheit“ von Präsidentschaftskandidat Uladzimir Nekljajew organisatorisch unterstützt, heißt es in dem Text. Über ausländische Stiftungen sind nach Darstellung der Zeitung riesige Summen an die Opposition geflossen: „Hunderttausende Dollar wurden in Koffern nach Minsk gebracht.“ In Polen seien Trainingslager für „Aktivisten“ eingerichtet worden. Ziel des Westens sei es gewesen, Lukaschenko durch eine „gehorsame Marionette“ zu ersetzen.

Diese schweren Vorwürfe gegen den Westen sindein weiterer Hinweis darauf, dass sich Lukaschenko von Europa abwendet und aller Wahrscheinlichkeit nach künftig wieder stärker an Russland orientiert. Der Oppositionspolitiker Alexander Milinkewitsch nannte die Anschuldigungen ein „Geschenk an Russland“. Jetzt sei nicht mehr die Rede von einer Einmischung Russlands. Der Chefredakteur der unabhängigen Zeitung „Nascha Niwa“, Andrej Dynko, sieht in den Vorwürfen auch eine Antwort des Regimes auf von der Europäischen Union geplante Sanktionen: „Offensichtlich ist man der Meinung, dass man die Reaktion nicht mehr aufhalten kann.“ In Weißrussland herrsche derzeit „eine Hysterie wie in den 30er Jahren, wie zu Stalin-Zeiten“, sagte Dynko. Die Publikation von „kompromittierendem Material“ über Oppositionelle hatte bereits zu Sowjetzeiten Tradition. Milinkewitsch und Dynko berichteten am Freitag in Berlin über die Repressionen in Weißrussland. Milinkewitsch appellierte an die EU, sich für die Freilassung aller Gefangenen einzusetzen und gezielte Sanktionen zu verhängen. „Die effektivste Sanktion ist die Unterstützung der Gesellschaft in Weißrussland“, sagte der Oppositionspolitiker.

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