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Welthungerhilfe: Für die unteren Milliarden

Die UN warnt vor Hunger und Aufruhr: In den vergangenen neun Monaten schossen die Nahrungsmittelpreise um fast die Hälfte nach oben. Reis, die Hauptspeise für Milliarden, verteuerte sich um 80 Prozent.

Genf - Egal ob im lauten New York, im noblen Davos oder in Accra, der Hauptstadt des armen Ghana. Überall spickt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon seine Reden mit einer gut gemeinten Forderung. „2008 soll das Jahr der unteren Milliarden sein“. Die unteren Milliarden. Das sind die Habenichtse der Globalisierung, jene Menschen, die ihr Dasein mit weniger als einem US-Dollar pro Tag fristen müssen. Anfang der Woche wird Ban in Bern und Genf wieder über den Kampf gegen die Armut sprechen und seinen Appell wiederholen: Helft den unteren Milliarden! Denn das Schicksal meint es gerade 2008 besonders schlecht mit ihnen: In den vergangenen neun Monaten schossen die Nahrungspreise laut der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO um fast die Hälfte nach oben. Reis, die Hauptspeise für Milliarden, verteuerte sich von März 2007 bis März 2008 um fast 80 Prozent. Die Ursachen der Teuerung reichen vom rasanten Bevölkerungswachstum über Dürren bis hin zu Spekulation.

Die Folge: Hunger und Aufruhr. Und die globale Lebensmittelkrise droht das ehrgeizige UN-Projekt zur globalen Armutsbekämpfung zum Entgleisen zu bringen. Im Jahr 2000 gelobten die Staats- und Regierungschefs, das Elend der Welt bis 2015 energisch zu bekämpfen. Die Entwicklungsländer sollten den materiellen Graben zu den reichen Staaten Europas, Nordamerikas und auch zu Japan endlich verringern.

Die UN gab acht konkrete Ziele vor, die sogenannten Millennium–Entwicklungsziele. Seitdem konzentriert die Weltorganisation ihre Energien auf den Kampf für eine bessere Welt. Bereits vor Ausbruch der Lebensmittelkrise im Juni 2007 musste die UN eingestehen: „Der Gesamterfolg des Projekts ist weit davon entfernt, gesichert zu sein.“ Vor allem das schwache Entwicklungsniveau Afrikas ließ die Fachleute verzweifeln. „Jetzt stehen wir vor noch viel gewaltigeren Herausforderungen“, gesteht UN-Chef Ban im Frühjahr 2008 ein. Am offensichtlichsten gefährdet die Nahrungskrise das zentrale erste Ziel: die Bekämpfung der extremen Armut und des Hungers. „Wer weniger als einen Dollar zum Leben hat, der kann sich schon bei geringen Preisschüben kaum noch ernähren“, bringt es Vorgänger Kofi Annan auf den Punkt. Und: Wer nichts zu beißen hat, kann auch nicht gut arbeiten. Die Weltbank befürchtet: Der Hunger drückt rund 100 Millionen Menschen in armen Ländern noch tiefer ins Elend.

Ebenso das ambitionierte Ziel 2, allen Kindern eine elementare Schulbildung zu geben, droht außer Reichweite zu geraten. „Um das eigene Überleben durch Arbeit zu sichern, könnten Kinder gezwungen sein, die Schule abzubrechen“, heißt es beim Kinderhilfswerk Unicef. Zudem mangelt es mehr und mehr Schulen am Geld für die Schulspeisung. Mit leerem Magen aber fällt das Lernen doppelt schwer. Die Krise untergräbt auch den Kampf gegen die hohe Kindersterblichkeit (Ziel 4) und gegen die hohe Sterberate gebärender Mütter (Ziel 5) in armen Staaten. Unicef betont: Schwangere Frauen brauchen ausgewogene Ernährung, Kleinkinder auch. Die Nahrungskrise könnte – zumindest indirekt – auch bedrohlich sein für die Gleichberechtigung von Mann und Frau (Ziel 3), die Seuchenbekämpfung (Ziel 6), den Umweltschutz (Ziel 7) und die Partnerschaft zwischen Nord und Süd (Ziel 8). „Wir sind mit einem Notstand konfrontiert“, fasst UN-Chef Ban die düstere Lage an der Armutsfront zusammen.

Jan Dirk Herbermann[Genf]

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