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Wenn die Flügel heftig schlagen: Linkspartei zieht Zwischenbilanz ihrer Programmdebatte

Bei einer Zwischenbilanz der Debatte über den im Frühjahr vorgelegten Entwurf für ein Grundsatzprogramm wird deutlich, dass es der neuen Spitze unter Klaus Ernst und Gesine Lötzsch nicht leicht fällt, eigene Akzente zu setzen.

Von Matthias Meisner

Das letzte Wort hatte am Sonntag Oskar Lafontaine. Die Parteiführung der Linken hatte den früheren Vorsitzenden als Schlussredner des Programmkonvents in Hannover gesetzt, auf dem rund 600 Genossen aus der ganzen Republik eine Zwischenbilanz der Debatte über den im Frühjahr vorgelegten Entwurf für ein Grundsatzprogramm zogen. Lafontaine spielt seine Rolle erwartungsgemäß. „Wir brauchen keine zweite SPD“ , ruft er in die Niedersachsenhalle, bezeichnet Sozialdemokraten und Grüne als „Hauptkonkurrenten“ seiner Partei und erklärt: „Wer die Eigentumsfrage nicht stellt, wird die ökonomische Frage nicht lösen können“. Nach wie vor spielt Lafontaine die Rolle des Gralshüters in der Linkspartei.

Für die neue Spitze unter Klaus Ernst und Gesine Lötzsch ist es nicht leicht, eigene Akzente in der Programmdebatte zu setzen. Ihre Autorität ist ein halbes Jahr nach ihrer Wahl noch immer nicht gefestigt. Cornelia Ernst, frühere Landesvorsitzende aus Sachsen und inzwischen Europaabgeordnete, sagt am Rande des Konvents, die Basis glaube, dass sich das „vielleicht noch irgendwie bessert“. Sicher ist sie nicht. Auch Rüdiger Sagel, Vize-Fraktionschef im Landtag von Nordrhein-Westfalen, zweifelt. „Apathie in der Partei und stagnierende Zustimmung in der Bevölkerung“ macht er in einer Streitschrift zum Programmentwurf aus, die in Hannover verteilt wird. Sie trägt die Überschrift „Schrei nach Führung“.

Cornelia Ernst und Rüdiger Sagel – und sie stellvertretend für viele – sind zwar beide nicht zufrieden, aber deshalb noch lange nicht auf einem Nenner. Während die Sächsin im Programmentwurf zu viele radikale Töne findet und eine Vision vermisst, argumentiert Sagel, die polarisierende öffentliche Wirkung der Linken dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. Der Landesverband Sachsen hat inzwischen gefordert, einen neuen Programmentwurf vorzulegen. Die Genossen aus NRW wollen die Grundrichtung des Entwurfs dagegen unbedingt verteidigen. Hart umkämpft zwischen den Parteiflügeln sind etwa die Eigentumsfrage, das grundsätzliche Nein zu allen Bundeswehreinsätzen im Ausland oder die Bedingungen für Regierungsbeteiligungen.

Die Parteivorsitzenden Lötzsch und Ernst unternahmen vor diesem Hintergrund den Versuch, die Konflikte kleinzureden. „Große Übereinstimmung“ in den meisten Fragen stellte Lötzsch fest – knapp ein Jahr vor der geplanten Verabschiedung des Programms auf einem Parteitag im Oktober 2011, voraussichtlich in Erfurt. Über die restlichen „fünf bis zehn Prozent“ werde man sich „auf jeden Fall“ verständigen.

Ernst und Lötzsch wurden inzwischen von Bundesgeschäftsführerin Caren Lay zu Mitgliedern der Redaktionskommission erklärt, die sich mit den Dutzenden von Stellungnahmen zum Entwurf befasst. Ursprünglich waren in dieses Gremium nur vier Vertreter verschiedener Strömungen – von der Kommunistin Sahra Wagenknecht bis zum sachsen-anhaltinischen Landeschef Matthias Höhn – gewählt worden. Nach dem Programmparteitag in knapp einem Jahr muss die dann beschlossene Fassung noch per Urabstimmung gebilligt werden. In Hannover selbst wurden keine Beschlüsse gefasst. Der Konvent konnte nur ein Stimmungsbild geben. In diesem Sinne war der große Applaus für die Vize-Vorsitzende Wagenknecht ein deutliches Zeichen. Sie hatte davor gewarnt, die Bedingungen für Regierungsbeteiligungen aufzuweichen. Es sei „nicht sinnvoll, uns Linke unter Verkauf unserer Seele und Verrat der Interessen der Wähler in Regierungen zu integrieren“.

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