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Lauter Protest. Ivorische Frauen klappern mit Töpfen, um ihre Angehörigen vor Militär oder Milizen zu warnen. Foto: Sia Kambou/AFP

© AFP

Westafrika: Ultimatum in der Elfenbeinküste

Drei afrikanische Kollegen wollen Wahlverlierer Gbagbo zum Rücktritt drängen – der wittert ein Komplott.

Berlin - An diesem Dienstag werden drei westafrikanische Präsidenten dem umstrittenen Präsidenten der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, so etwas wie ein letztes Ultimatum überbringen. Yayi Boni (Benin), Ernest Bai Koroma (Sierra Leone) und Pedro Pires (Kapverden) reisen im Auftrag der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas nach Abidjan, um dem abgewählten Gbagbo eine letzte Chance zu geben, abzutreten. Sonst, so hat es ein Sondergipfel der Ecowas zu Weihnachten in Nigeria beschlossen, werde der Staatenbund zu „gerechtfertigter Gewalt“ greifen, um ihn aus dem Präsidentensessel zu vertreiben.

Gbagbo gibt sich gelassen. In einem Interview mit der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ stellte er fest: „Es wäre das erste Mal, dass afrikanische Staaten bereit wären, gegen ein anderes Land in einen Krieg zu ziehen, weil eine Wahl schiefgelaufen ist.“ Im Übrigen „befände sich Afrika ständig im Krieg“, wenn „in allen diesen Fällen Kriege begonnen würden“, sagte er weiter. Gbagbo sieht sich als Opfer eines Komplotts der früheren Kolonialmacht Frankreich und den USA. Er sagte: „Wenn man erlitten hat, was ich erlitten habe, dann sagt man sich, dass Robert Mugabe (der umstrittene Präsident Simbabwes) nicht völlig Unrecht hat.“

Gbagbos Gegenspieler, der gewählte Präsident Alassane Outtara versuchte am Montag den Druck auch im Land zu erhöhen. Doch in Abidjan folgte kaum jemand seinem Aufruf zu einem Generalstreik. Händler auf dem Markt der größten Stadt des Landes sagten einem Reporter der Nachrichtenagentur Reuters: „Wenn wir nicht arbeiten, essen wir nicht.“ Deshalb könnten sie dem Streikaufruf gar nicht folgen. Allerdings gibt es noch einen zweiten Grund, warum sich Ouattaras Anhänger in Abidjan nicht als solche zu erkennen geben wollen. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch haben seit dem 16. Dezember jede Nacht Angriffe auf Nordivorer stattgefunden. Menschen würden verschleppt, ihr Verbleib sei unbekannt. Schon am 23. Dezember hatte die stellvertretende Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Kyung-Wha Kang, vor dem UN-Menschenrechtsrat von 173 Toten, 90 Fällen von Folter, 24 Verschleppungen und hunderten Festnahmen von Outtara-Anhängern berichtet. Human Rights Watch hat nun dokumentiert, dass die Gbagbo-Seite Söldner aus dem benachbarten Liberia, das sich gerade von einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg erholt, rekrutiert hat, um Ouattara-Anhänger zu drangsalieren. Angesichts der kaum besseren Menschenrechtsbilanz der „Nouvelles Forces“, der Rebellentruppe, die den Norden des Landes beherrscht, vermutete die Organisation, dass auch dort liberianische Söldner angeheuert werden, um Gbagbo-Anhänger unter Druck zu setzen.

Nach Anhaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind inzwischen mehr als 14 000 Menschen aus der Elfenbeinküste nach Liberia geflüchtet. Darunter sind auch Flüchtlinge, die vor Jahren vor dem Bürgerkrieg in Liberia dort Zuflucht gesucht hatten. Das UNHCR ist nach eigenen Angaben auf etwa 30 000 Flüchtlinge vorbereitet. Die Menschen kommen vor allem aus der westivorischen Grenzregion mit Liberia, die nach einem Bericht von Human Rights Watch schon vor den Nach-Wahl-Auseinandersetzungen ein Hort der Instabilität war. Im Oktober hatte die Organisation einen Bericht auf der Basis von mehr als 80 Interviews mit Gewaltopfern vorgelegt, der die These vom „wilden Westen“, wie die Region genannt wird, eindringlich bestätigt. Sowohl Regierungstruppen als auch Rebellentruppen haben demnach Checkpoints eingerichtet, die die Ivorer nur passieren können, wenn sie dafür bezahlen. Außerdem müssen vor allem die Frauen auf dem Weg vom oder zum Markt zu jeder Tageszeit mit Vergewaltigungen rechnen.

Noch hält das Militär zu Gbagbo, obwohl sowohl die Weltbank als auch die westafrikanische Zentralbank angekündigt haben, der illegitimen Regierung kein Geld mehr zur Verfügung zu stellen. Gbagbo fühlt sich offenbar auch deshalb sicher in seinem Präsidentenpalast, weil er in Abidjan ohnehin seine Machtbasis hat. Zudem argumentiert das Gbagbo-Lager, dass er die Jugend auf seiner Seite habe. Damit fühlt sich Gbagbo offenbar ausreichend legitimiert. Sein wichtigster Einwand ist, dass die Jugend nicht mitwählen durfte. Lediglich 5,7 Millionen Wähler sind für die Präsidentschaftswahlen registriert worden. Nach aktuellen UN-Angaben hat die Elfenbeinküste jedoch 21,6 Millionen Einwohner. Selbst wenn drei bis vier Millionen Einwanderer aus den Nachbarländern, vor allem Burkina Faso, die in der Kakaoindustrie arbeiten, abgezogen werden, sind 5,7 Millionen Wähler keine große Zahl. Die Erklärung dafür ist, wie oft in Afrika, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter 18 Jahre alt ist.

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