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Die Bundespolizei braucht eine modernisierte Rechtsgrundlage.

© Andreas Arnold/dpa

Ein Fall für die nächste Bundesregierung: Wie das Bundespolizeigesetz gescheitert ist

Es war eins der wichtigsten Sicherheitsvorhaben dieser Legislatur: das Bundespolizeigesetz. Was steckt hinter seinem Scheitern? Und wie geht es weiter?

Als es zur Abstimmung per Handzeichen kommt, vergehen ein paar Sekunden, dann regt sich leises Gelächter im Saal. So deutlich fällt die Bundespolizei-Reform am vergangenen Freitag im Bundesrat durch – und damit eins der wichtigsten sicherheitspolitischen Vorhaben dieser Legislatur.

Kurz darauf beginnen die Schuldzuweisungen. Die SPD wirft der Union vor, sie habe eine Einigung verhindert. Die Union wirft FDP und Grünen vor, sie könnten keine Sicherheitspolitik. Und die FDP rühmt sich, sie habe den „Staatstrojaner“ verhindert – also die enthaltene Befugnis für die Bundespolizei, in bestimmten Fällen Geräte zu hacken. Doch was war wirklich passiert? Und vor allem: Wie geht es jetzt weiter? Der Fall ist ein Lehrstück darüber, wie Kompromissfindung in der Politik scheitern kann.

„Nicht praxistauglich“

Das Bundespolizeigesetz stammt in großen Teilen noch aus dem Jahr 1994. Whatsapp und Drohnen, so betonen manche Politiker, gab es damals noch gar nicht. Die Modernisierung ist dringend notwendig, auch um das Gesetz an die aktuelle Rechtsprechung anzupassen – da sind sich eigentlich alle einig. Doch um das Wie gibt es Streit.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat auch Tage nach dem Scheitern des Gesetzes noch Redebedarf. Was ihn ärgert: Dass das Gesetz der Bundespolizei Zuständigkeiten geben wollte, die, wie er sagt, „bislang ausschließlich im Zuständigkeitsbereich der Länderpolizeien lagen“. Das halte er für „verfassungswidrig und im Übrigen auch nicht praxistauglich“.

Die Bundespolizei ist zuständig für die Sicherheit von Bahnhöfen und Flughäfen sowie im Grenzgebiet. Konkret sollte es im Gesetz etwa darum gehen, dass die Bundespolizei vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer abschieben darf, wenn sie diese beispielsweise an Bahnhöfen antrifft. Zudem sollte der Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei von Vergehen auf Verbrechen ausgeweitet werden. Und die Bundespolizei sollte auf Ersuchen von Staatsanwaltschaften in der Strafverfolgung tätig werden können.

Entweder ganz oder gar nicht

Pistorius ging das zu weit. „Dass es in Deutschland eine klare Zuständigkeit der Länder für allgemeine polizeiliche Aufgaben gibt, und eben keine bundesweite Polizeizuständigkeit, ist auch eine Lehre aus der deutschen Geschichte“, sagt er dem Tagesspiegel. Die Bundespolizei sei eine Polizei mit begrenzten Aufgaben und dabei müsse es bleiben.

Pistorius wollte bei der letzten Innenministerkonferenz seine Kollegen davon überzeugen, dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anruft, so dass dort ein Kompromiss gefunden wird. Das hätte das Gesetz retten können, glaubt Pistorius. Doch das kam am Ende nicht zu Stande. „Die CDU im Bund wollte das Gesetz entweder ganz oder gar nicht“, sagt Pistorius. Die Rechtsgrundlagen für die Bundespolizei seien jetzt „deutlich schlechter“ als sie es sein könnten und müssten.

Unionsfraktionsvize Frei teilt die Bedenken nicht

Ruft man bei Thorsten Frei an, dem Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, bekommt man die andere Seite der Geschichte zu hören. Frei hat mit Fachpolitikern aus Unions- und SPD-Fraktion in den letzten Jahren die Reform des Bundespolizeigesetzes vorangetrieben. Zwischen den Fraktionen waren Kompromisse nötig. So etwa bei der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) die es möglich machen soll, verschlüsselte Kommunikation mitzulesen. Hier habe die SPD nur eine „Schmalspurlösung“ akzeptiert, sagt Frei – auch auf Druck der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken.

Auch die Länder habe man von einem frühen Stadium an mit einbezogen. Doch die Bedenken von Pistorius kann Frei nicht nachvollziehen – er sieht keinen Eingriff in die Länderkompetenzen. Die Bundespolizei wäre nur auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft tätig geworden, sagt er. Bei der Abschiebung von Ausreisepflichtigen hätte sich die Bundespolizei immer bei den zuständigen Ausländerbehörden rückversichern müssen.

Frei verteidigt auch, dass die Bundespolizei mit dem neuen Gesetz nicht mehr nur für Vergehen sondern auch für Verbrechen zuständig gewesen wäre. „Bei einem Ladendiebstahl im Bahnhof ist aktuell die Bundespolizei zuständig. Wenn der Dieb dann aber anfängt, jemanden mit einem Messer zu bedrohen und die Straftat damit im juristischen Sinn zu einem Verbrechen wird, muss die Bundespolizei einen Landespolizisten finden, der das übernimmt“, erklärt er. Das sei absurd.

„Da wäre nichts Vernünftiges herausgekommen“

Zwar habe es auch in der Union einzelne Stimmen gegeben, die gerne im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat einen Kompromiss gesucht hätten. „Aber vielen war klar: Da wäre nichts Vernünftiges herausgekommen“, sagt Frei. Auch er selbst glaubt, dass dann vom Gesetz kaum noch etwas übrig geblieben wäre.

Denn auch die Grünen, die in elf von 16 Ländern mitregieren, waren in der aktuellen Form mit dem Gesetz nicht einverstanden: Sie waren sowohl gegen die Quellen-TKÜ als auch gegen Abschiebungen durch die Bundespolizei. Von einem Vermittlungsausschuss hätten sie sich wenig versprochen.

Dass nun die Bundesregierung noch den Vermittlungsausschuss anruft, danach sieht es nicht aus. Am Ende, da zumindest sind Frei und Pistorius sich einig, wird wohl die nächste Koalition einen neuen Anlauf machen müssen. Ob es dann einfacher wird, ist offen. 

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