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Politik: „Wie im sowjetischen Straflager“

In Aserbaidschan ist nach vier Jahren Haft ein kritischer Journalist wieder frei

Blitzschnell verbreitete sich die Nachricht in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku: Der Journalist Eynulla Fatullayev ist frei. Nach vier Jahren im Gefängnis wurde er von Ilham Alijew, dem Präsidenten der ölreichen Ex-Sowjetrepublik am Kaspischen Meer, begnadigt.

Fatullayev ist kaum zu Hause angekommen, da finden sich Verwandte, Freunde und Kollegen in dem bescheidenen Haus am Rande des Stadtzentrums ein. Sie umarmen den kräftigen Mann mit der randlosen Brille und klopfen ihm auf die Schultern. „Für mich ist es ein Wunder“, sagt Fatullayev über seine plötzliche Freilassung. Er hätte eigentlich bis 2013 in Haft bleiben müssen. Der Chefredakteur zweier Zeitungen war 2007 nach einer Reihe regierungskritischer Artikel wegen Diffamierung, Terrorismus-Unterstützung und Verbreitung von ethnischem Hass verurteilt worden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte im vergangenen Jahr, Fatullayevs Recht auf freie Meinungsäußerung sei verletzt worden. Er müsse freigelassen werden. Drei Monate später verurteilte ihn ein aserbaidschanisches Gericht wegen Steuerhinterziehung und Drogenbesitzes, Vorwürfe, die er zurückwies. Der Journalist führt seine Freilassung auf internationale Hilfe zurück.

Fatullayev reibt sich die Stirn. Einen Moment lang sind ihm Nervosität und Erschöpfung anzusehen. Seine Zeit im Gefängnis sei schwer gewesen, sagt er. Er habe sich wie in einem sowjetischen Straflager gefühlt. Nun fordert er, dass die Regierung ihm sein Recht auf Sicherheit und Meinungsfreiheit gewährt, damit er seine Arbeit wieder aufnehmen kann.

Die Regierung um Präsident Alijew führt das Land mit harter Hand. Seit den umstrittenen Parlamentswahlen im Herbst ist nur noch die Regierungspartei YAP im Parlament. Vom arabischen Frühling inspirierte Proteste im März und April löste die Polizei rigoros auf. Der Oppositionspolitiker Bakhtiyar Hajiyev und der 20-jährige Aktivist Jabbar Savalan wurden nach Aufrufen zum Protest festgenommen. Hajiyev erhielt eine zweijährige Strafe, weil er sich dem Militärdienst verweigert haben soll. Savalan wurde wegen angeblichen Drogenbesitzes zu zweieinhalb Jahren verurteilt.

Die Regierung verteidigt das harte Vorgehen gegen die Opposition auch gegen Kritik des EU-Parlamentes. Der für Menschenrechte zuständige Vizeaußenminister Mahmud Mammad-Guliev sagt, die Proteste hätten aufgelöst werden müssen. Sie hätten nicht an den vorgeschlagenen Orten am Rande des Stadtzentrums, sondern auf ungeeigneten Straßen mitten in Baku stattgefunden. Der Diplomat verweist auf ein Gesetz zur Meinungsfreiheit nach europäischem Standard sowie auf die Freilassung Fatullayevs.

Tatsächlich waren zuvor auch schon die beiden Blogger Emin Milli und Adnan Hajizada vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Doch bislang erhielt Milli keine Erlaubnis, ins Ausland zu reisen. Hajizada sucht vergeblich einen Job. Die Regierungsseite setzt zudem auf Diskreditierung der Opposition. So wurden Videos des Pressesprechers der Oppositionspartei „Volksfront“, Natik Adilov, und des Journalisten Turan Jafarov im Fernsehen ausgestrahlt. Darauf sind die beiden angeblich bei sexuellen Handlungen in einem Hotelzimmer zu sehen. Adilov und Jafarov kämpfen nun vor Gericht um ihr Recht auf Privatsphäre.

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