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Krumme Geschäfte hinter dicken Mauern: Die Hamburger Warburg-Bank ist in den Cum-ex-Skandal verwickelt.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Wie lief der Betrug mit Cum-ex-Deals?: Perfides Täuschungsmanöver

Wenn Olaf Scholz im Hamburger Untersuchungsausschuss aussagt, geht es um eine ausgeklügelte Form von Steuerhinterziehung. Ein Überblick.

Es ist eine der größten Steuerbetrügereien in der jüngeren Geschichte – aber dass hinter dem Geschäft mit der kuriosen Bezeichnung „Cum-ex“ tatsächlich massiver Betrug steckt, ist streng juristisch betrachtet erst seit dem 28. Juli 2021 endgültig klar. An dem Tag entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass es sich bei den ominösen Aktiendeals rund um die Dividendentermine um strafbare Steuerhinterziehung handelt.

Damit war die Sache höchstrichterlich geklärt. Seither hat die Aufklärung Fahrt aufgenommen, es gibt Dutzende Verfahren mit 1400 Beschuldigten. Verantwortlich ist meist die Staatsanwaltschaft Köln. Undin der Hamburger Bürgerschaft gibt es einen Untersuchungsausschuss, der sich mit der Frage befasst, warum der Warburg-Bank, die stark in den Betrug verwickelt war, Steuerrückzahlungen erspart werden sollten.

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Hanno Berger hat nach dem BGH-Urteil dennoch ein Jahr gebraucht, um Einsicht zu zeigen. Der ehemalige Steueranwalt, einst ein Star seiner Branche, gilt als eine Hauptfigur in der Affäre, als einer der Erfinder des Steuergestaltungsmodells, mit dem – beginnend vor etwa 30 Jahren – Banken und Fondsanbieter den Fiskus um Milliardenbeträge erleichtert haben. Er sah sich als einen, der eine Gesetzeslücke clever nutzte.

Unsauberes Geschäft

Vor dem Landgericht Bonn hat Berger unlängst eine Art Teilgeständnis abgelegt. Von 2009 an war ihm demnach bewusst, dass er Kunden ein unsauberes Geschäft empfahl. In dem Jahr hatte das Bundesfinanzministerium in einem Rundschreiben erhebliche Zweifel an dem Steuermodell geäußert, von da an war damit zu rechnen, dass der Fiskus es nicht mehr akzeptieren würde. Was dann seit 2012 auch der Fall war.

Aber wie funktionierte die Cum-ex-Masche? Möglich war sie nur rund um den Tag, an dem ein Unternehmen die Dividende an seine Aktionäre ausschüttet. Bis dahin wird eine Aktie an der Börse mit Dividendenanspruch gehandelt – daher „cum“, lateinisch für „mit“. Ist sie ausgeschüttet, wird die Dividendensumme vom Börsenwert abgezogen, die Aktie wird dann „ex“ gehandelt, also „ohne“ Dividendenanspruch.

Von der Dividende wird automatisch Kapitalertragsteuer abgezogen, die sich institutionelle Investoren aber unter Umständen rückerstatten lassen können. Daran beteiligten sie aber auch private Kunden mittels dafür gestrickter Instrumente.

Ein perfides Karussellgeschäft

Vor allem Banken haben rund um den Dividendentag ganze Aktienpakete so unter sich verschoben, dass unklar wurde, wer in diesem Karussellgeschäft tatsächlich die eigentliche Empfängerin der Dividende war, für die es ja regulär nur einmal eine Steuerrückerstattung geben kann. Die Finanzverwaltung wurde so getäuscht. Dazu wurden sogenannte Leerverkäufe genutzt: Dabei werden Aktienpakete veräußert, die nur geliehen sind, wobei das Geschäft darin besteht, das geliehene Paket „cum“, also zum höheren Wert, zu verkaufen, sie dann aber „ex“, also zum geringeren Wert, zurückzukaufen, um sie dann an den Verleiher zurückzugeben.

Bei Cum-ex-Deals waren so mindestens drei oder auch mehr Finanzinstitute involviert. Eine Adresse, die reiche Privatinvestoren beteiligte, war die Hamburger Warburg-Bank, die nun in dem Untersuchungsausschuss in der Hansestadt im Mittelpunkt steht. Zu den Nutzern des Steuergestaltungsmodells gehörten auch Landesbanken, etwa die WestLB und die LBBW.

Der Schaden: bis zu zehn Milliarden Euro

Von vielen Finanzinstituten haben die Behörden mittlerweile Steuerrückzahlungen verlangt. Die Summe liegt nach Angaben des Vereins „Finanzwende“ bisher bei etwa 1,8 Milliarden Euro. Laut Finanzwende-Chef Gerhard Schick ist der Fiskus durch Cum-ex-Deals um bis zu zehn Milliarden Euro betrogen worden. Mittlerweile sitzen die ersten Verurteilten hinter Gitter.

Im Fall des ähnlich gelagerten Steuervermeidungsmodells namens „Cum-cum“ sollen es sogar 28 Milliarden Euro gewesen sein. In diesen Fällen entziehen sich ausländische Finanzinstitute, die keine Rückerstattung beantragen können, der deutschen Kapitalertragsteuer, indem sie Aktienpakete kurz vor dem Dividendentag an deutsche Institute übertragen. Die lassen sich dann die Steuer zurückzahlen und übertragen zurück – die Erstattung wird geteilt.

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