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Aus Malta. Die konservative Politikerin Roberta Metsola.

© dpa

Neue EU-Parlamentspräsidentin: Wie Roberta Metsola von einem Machtpoker profitierte

Roberta Metsola aus Malta ist neue Präsidentin des EU-Parlaments. Warum zu ihrer Wahl ein Machtpoker, Intrigen und enttäuschte Erwartungen gehören.

Es ging überraschend schnell. Roberta Metsola aus Malta bekam auf Anhieb die absolute Mehrheit. Die mit 43 Jahren jüngste Präsidentin des EU-Parlaments tritt damit die Nachfolge des in der vergangenen Woche gestorbenen Italieners David Sassoli an. Metsolas Weg an die Spitze ist geradezu exemplarisch dafür, wie die Europäische Union funktioniert.

Es begann vor zwei Jahren mit einer kleinen Intrige und einer sehr großen Enttäuschung. Nach der Europawahl 2019 galt der deutsche Abgeordnete Manfred Weber bereits als neuer Präsident der EU-Kommission. Diese Personalie gefiel aber Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nicht, weshalb er kurzerhand zu einer Gegenaktion ansetzte. Mit großem Geschick und viel Überredungskunst schickte Macron eine überraschende Kandidatin ins Rennen, und am Ende machten die Staats- und Regierungschefs Ursula von der Leyen zur neuen Kommissionschefin.

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Dem gedemütigten Manfred Weber blieb nichts anderes übrig, als sich wieder auf seinen Posten als Chef der konservativen EVP-Fraktion zurückzuziehen. Als eine Art Trostpflaster schien ihm der Posten des Parlamentspräsidenten sicher. Nach seiner Niederlage dachte der CSU-Mann aber nicht daran, sich an dieses Drehbuch zu halten. Bekannt als begnadeter Netzwerker, begann er an einem anderen Plan zu arbeiten. Weber wollte nun Fraktionschef bleiben, zusätzlich Präsident der EVP werden und so zu einem der einflussreichsten Politiker Europas aufsteigen. Gleichzeitig warb Weber für Roberta Metsola als Kandidatin für das Amt der Parlamentspräsidentin.

Dem 65-jährigen Italiener Sassoli stand nun eine junge Frau aus einem kleinen EU-Staat gegenüber, die damit gleich mehrere Quoten erfüllte. Sie wäre nach 20 Jahren die erste Präsidentin. Bisher hatten mit Nicole Fontaine und Simone Veil zwei Frauen und 28 Männer den Vorsitz inne. Dramatischer Höhepunkt war schließlich, dass ihr Vorgänger David Sassoli Anfang Januar in einem Krankenhaus in Italien gestorben ist.

Die Frau aus Malta startet allerdings mit einer schweren Hypothek in den neuen Top-Job. Sie gilt als Kandidatin Manfred Webers, ohne dessen offene Unterstützung sie nie in diese Position gekommen wäre. Manche sprechen sogar von einer Strohfrau, mit der die deutschen Konservativen ihren Einfluss in der EVP ausbauen wollten.

Metsolas politisches Leben ist komplett auf die EU ausgerichtet

Das wird Roberta Metsola allerdings nicht gerecht. Sie machte sich bereits als erste der 14 Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten einen Namen. Ihr gesamtes politisches Leben ist zudem auf die Europäische Union ausgerichtet. Bereits als Studentin trat Metsola den Europäischen Demokratischen Studenten bei, einem Zusammenschluss konservativer Studentenverbände. Das Referendum im Jahr 2003 zum EU-Beitritt Maltas beschrieb sie als Auslöser für ihre politische Aktivität. Zu dem Zeitpunkt hatte Metsola gerade in Jura promoviert und ein Studium am Europakolleg im belgischen Brügge begonnen, einer prestigeträchtigen Kaderschmiede der EU-Spitzenverwaltung.

Viele Jahre arbeitete Metsola für die Ständige Vertretung Maltas bei der EU und für die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Metsola sprach mittlerweile neben Maltesisch, Italienisch und Englisch auch Französisch sowie Finnisch. Als 2013 ihr Landsmann Simon Busuttil sein Mandat aufgab, um in Malta die Opposition anzuführen, übernahm Metsola seinen Sitz und schaffte es so in die EU-Volksvertretung. 2014 und 2019 wurde Metsola bei den Europawahlen als Abgeordnete der Nationalistischen Partei, die zur EVP-Fraktion gehört, wiedergewählt. Ihre Wahl sieht die 43-Jährige auch als einen weiteren Schritt zur Gleichberechtigung. „Es wird nicht nochmal zwei Jahrzehnte dauern, bis wieder eine Frau an der Spitze des Parlaments steht“, versprach Metsola.

Knut Krohn

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