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Der Anreiz, Kohlendioxid zu mindern, ist nicht groß genug, kritisieren die Regierungsberater im Wirtschaftsministerium.

© Julian Stratenschulte/dpa

Regierungsberater: Wie sich Ökonomen ein Klimaabkommen vorstellen

Wenn die Welt auf die Berater von Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) hören würde, müsste sie den Klimaschutz nicht über ein "Flickwerk freiwilliger Selbstverpflichtungen" regeln. So beschreiben die Professoren das Pariser Klimaabkommen.

Der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums rät der neuen Hausherrin Brigitte Zypries (SPD), statt über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens doch lieber über einen globalen Kohlendioxid-Preis zu verhandeln. Genau genommen ist dafür zwar die Klimaministerin Barbara Hendricks (SPD) zuständig, aber zur Regierung gehören schließlich beide. Damit greift der Beirat ein Gutachten aus dem Jahr 2012 wieder auf. Schon damals riet er der Regierung lieber über eine CO2-Steuer zu verhandeln als über ein umfassendes Klimaabkommen.
Die Kernaussage der 21 Seiten starken Stellungnahme lautet: Das Pariser Klimaabkommen werde aller Wahrscheinlichkeit nach nicht eingehalten, weil es „das Problem globaler Gemeinschaftsgüter nicht lösen“ könne. Dagegen sehen die Professoren in einem globalen CO2-Preis ein Rezept zur Lösung des Problems. So könne man Verteilungsprobleme umgehen, hatte der damals noch Kölner Wirtschaftsprofessor Achim Wambach 2012 schon argumentiert. Er gehört dem Beirat noch immer an, inzwischen ist er allerdings Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Dass alle bisherigen Versuche, einen globalen CO2-Preis einzuführen, bisher an der Realität gescheitert sind, beunruhigt die Professoren dabei nicht.

Edenhofer: Eine sehr gute Idee

Der Vorsitzende des Beirats, der Ökonom Hans Gersbach von der ETH Zürich sagte dem Tagesspiegel: „Die Hauptidee dabei ist, dass der im Gutachten vorgestellte Ansatz komplementär zu dem auf globale Einstimmigkeit zielenden UN-Prozess eingesetzt werden kann und durch eine ,Koalition der Willigen‘ initiiert und vorangetrieben werden sollte. Diese Koalition kann sich auf einen CO2-Mindestpreis verständigen, und ihn anschließend durch reziproke Belohnungs- und Bestrafungsmechanismen auf weitere Länder ausdehnen.“
Ottmar Edenhofer, Direktor des Mercator-Institus für globale Gemeinschaftsgüter und Klimawandel (MCC), sagte dem Tagesspiegel-Background: "Die Idee ist grundsätzlich sehr gut. Aber wenn sie nicht mit Transferzahlungen unterfüttert wird, wird es nicht gelingen, einen globalen Preis für Kohlendioxid auszuhandeln." Den Vorschlag des Beratergremiums, einen CO2-Mindestpreis einzuführen, hält Edenhofer, der ihn schon lange fordert, aber für richtig.
Anderswo ist das Urteil härter. Der Vorstand der Umweltstiftung WWF, Christoph Heinrich sagte dem Tagesspiegel: „Einen angemessen hohen Mindestpreis durchzusetzen, scheint angesichts des aktuellen politischen Klimas wenig realistisch.“ Er hält es nicht für „zielführend, nun wo das Paris-Abkommen und seine Mechanismen Form annehmen, mit Forderungen nach einem einheitlichen Mindestpreis auf die Bremse treten zu wollen.“ Zudem widerspricht er der These, dass das Pariser Abkommen Flickwerk bleibe. Der WWF hat gerade ein Gutachten veröffentlicht, das die Verpflichtungen des Abkommens in CO2-Budgets umrechnet und daraus den Schluss zieht, dass Deutschland spätestens 2019 mit dem Kohleausstieg beginnen und ihn 2035 abschließen sollte.

CSU-Politiker Nüßlein lehnt "staatlichen Eingriff" ab

Auch beim stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Georg Nüßlein, kommt das Gutachten nicht besonders gut an. „Die Vorschläge mögen für wissenschaftliche Abhandlungen taugen – aber nicht für die Realität“, sagt er. „Jeder weiß, welcher Kraftakt schon für das Zustandekommen des Pariser Klimavertrags erforderlich war. Wer diesen Meilenstein im globalen Klimaschutz als Flickwerk abtut, leistet der Sache einen Bärendienst – gerade in Zeiten, in denen dieser weltweite Prozess von manchem internationalen Akteur offen infrage gestellt wird.“ Nüßlein kann sich aber auch nicht mit einem globalen  Kohlenstoffmindestpreis anfreunden. Das sei „ein lupenreiner staatlicher Eingriff in den marktwirtschaftlich angelegten Emissionshandel“, findet er. Ein nationales oder regionales Vorpreschen führe „zwangsläufig zu Wettbewerbsnachteilen für unsere Unternehmen, die sich auf globalen Märkten behaupten müssen“. Und dann baut der CSU-Politiker stilecht gleich noch vor: „Mit uns ist das nicht zu machen.“

Eine ernsthafte Debatte über CO2-Preise

Ottmar Edenhofer dagegen ist ganz froh darüber, dass die Debatte um CO2-Preise gerade wieder etwas Fahrt aufnimmt. "Während vor dem Klimagipfel in Paris kaum über einen CO2-Preis diskutiert worden ist, wird sie jetzt ziemlich ernsthaft geführt", sagt Edenhofer. "Die USA sind die große Unbekannte", fügt er mit Blick auf den G-20-Gipfel im Juli hinzu. Auch wenn die USA nicht mitmachten, bewege sich doch anderswo einiges, meint er mit Blick auf China, wo viel Geld in den Ausbau erneuerbarer Energien fließt und "über die Kohle nachgedacht wird".

Wenn die Welt auf den Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums hören würde, dann wäre alles ganz einfach. Statt eines „ein Flickwerks freiwilliger Selbstverpflichtungen“, als das die Professoren das Pariser Klimaabkommen identifiziert haben, gäbe es einen globalen Preis für Kohlendioxid (CO2). Wörtlich heißt es in dem Gutachten: „Preisverhandlungen erlauben, dass Effizienzfragen weitgehend von Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen getrennt werden.“ In der Stellungnahme, die schon im November 2016 fertig geworden ist, bleibt es allerdings bei der Behauptung. Die Professoren liefern keine weiteren Indizien, warum sie das annehmen.

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