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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj während einer Ansprache am Mittwochabend.

© Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

„Wir glauben keiner einzigen schönen Phrase“: Selenskyj warnt vor Angriffen im Donbass und fordert mehr Waffen – das geschah in der Nacht

Der Argwohn des ukrainischen Präsidenten bleibt groß. Derweil wird sein Gegenüber Putin offenbar von eigenen Beratern getäuscht. Ein Überblick zum Geschehen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht noch keine konkreten Ergebnisse der Gespräche mit Russland über ein mögliches Ende des Kriegs. Den schönen Worten aus Moskau sei nicht zu trauen, sagte Selenskyj in der Nacht zum Donnerstag.

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Die Ukraine meldet auch weiter Angriffe, so etwa auf ein Treibstofflager in der Großstadt Dnipro. Abermals ringen beide Seiten um eine Feuerpause für die umkämpfte Stadt Mariupol. Die Bundesregierung hofft ihrerseits auf mehr Klarheit, ob und wie Russland weiter Gas liefert.

In den Verhandlungen mit der Ukraine über ein Ende des Kriegs hatte Russland am Dienstag angekündigt, seine Kampfhandlungen an der nördlichen Front deutlich zurückzufahren.

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Die Gespräche mit der russischen Delegation sollen auch nach Angaben des ukrainischen Verhandlungsführer David Arachamija am 1. April im Online-Format fortgesetzt werden. Ziel der Ukraine ist ein direktes Gespräch der Präsidenten beider Länder.

Selenskyj bleibt misstrauisch gegenüber Russlands Rückzugsansage

Der ukrainische Präsident Selenskyj äußerte Misstrauen. „Ja, es gibt einen Verhandlungsprozess, der fortgesetzt wird. Aber es sind bisher Worte. Nichts Konkretes“, sagte er in einer Videobotschaft.

Russland ziehe sich nicht freiwillig aus der Umgebung der Hauptstadt Kiew und umkämpften Stadt Tschernihiw zurück, sondern werde von der ukrainischen Armee dort verdrängt.

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Gleichzeitig erkenne Kiew einen Aufmarsch russischer Truppen für neue Angriffe im Donbass, sagte Selenskyj. „Und darauf bereiten wir uns vor.“

Die ukrainische Führung vertraue nicht auf schöne Worte. „Wir glauben niemandem, keiner einzigen schönen Phrase.“ Wie es wirklich sei, zeige die Situation auf dem Schlachtfeld. „Und das ist im Moment das Wichtigste. Wir werden nichts aufgeben. Und wir werden um jeden Meter unseres Landes, um jeden unserer Menschen kämpfen.“

In einer solchen Lage brauche die ukrainische Armee niemanden, der ihr vom Sessel aus ungefragt Ratschläge gebe, sagte Selenskyj. „Wenn jemand so tut, als könne er unsere Streitkräfte belehren, wie man kämpft, ist es am besten, er begibt sich gleich aufs Schlachtfeld.“

Er bekräftigte die Forderung nach Hilfe der westlichen Partner, etwa Panzer, Flugzeuge und Artilleriesysteme. „Die Freiheit darf nicht schlechter bewaffnet sein als die Tyrannei“, sagte er.

Putin soll keine ehrliche Beschreibung über den Kriegsverlauf erhalten

Der russische Präsident Wladimir Putin wird nach Angaben aus US-Kreisen von seinen Beratern über den Verlauf des Krieges und die Folgen der westlichen Sanktionen in die Irre geführt.

Die Kommunikationsdirektorin des Weißen Hauses, Kate Bedingfield, sagte am Mittwoch in Washington unter Berufung auf Geheimdienstinformationen: „Wir glauben, dass er von seinen Beratern nicht richtig darüber informiert wird, wie schlecht das russische Militär agiert und wie die russische Wirtschaft durch die Sanktionen gelähmt wird.“ Putins hochrangige Berater hätten „zu viel Angst, ihm die Wahrheit zu sagen“.

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Auf die Frage, warum die US-Regierung diese Informationen offenlege, sagte sie, dies solle zum Gesamtbild beitragen und zum Verständnis, dass der Angriff auf die Ukraine ein großer strategischer Fehler Russlands sei.

US-Regierung beobachtet russischen Teilabzug um Kiew

Die US-Regierung erklärte in Washington, Russland habe binnen 24 Stunden einen kleinen Teil seiner Truppen aus der Umgebung von Kiew abgezogen - „wahrscheinlich etwa 20 Prozent der Truppen“, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. Einige dieser Soldaten seien nach Belarus verlagert worden.

Nach Einschätzung der US-Regierung bekommt Präsident Putin keine ehrliche Beschreibung der Lage im Ukraine-Krieg. Putins hochrangige Berater hätten „zu viel Angst, ihm die Wahrheit zu sagen“, meinte die Kommunikationsdirektorin des Weißen Hauses, Kate Bedingfield.

Russland stellt Feuerpause in Mariupol in Aussicht

Für die seit Wochen umkämpfte Stadt Mariupol bot Russland für Donnerstag eine Feuerpause an, um Zivilisten die Möglichkeit zur Flucht zu geben.

„Russlands Streitkräfte erklären - ausschließlich zu humanitären Zwecken - am 31. März ab 10.00 Uhr (9.00 Uhr MESZ) eine Feuerpause“, sagte Generalmajor Michail Misinzew laut Agentur Interfax.

Zugleich setzte er der Ukraine eine Frist bis 05.00 Uhr deutscher Zeit, um ihrerseits eine Feuerpause zu erklären.

Ukraine beklagt Raketenangriff auf Öldepot in Dnipro

Bei einem Raketeneinschlag in der Stadt Dnipro wurde nach ukrainischen Angaben ein mit Treibstoff gefülltes Öldepot zerstört. Trümmer hätten zudem zwei Tanklastwagen beschädigt, teilte der Leiter des Regionalrats, Mykola Lukaschuk, mit. Es habe keine Opfer gegeben.

In Nowomoskowsk nordöstlich von Dnipro schlug ukrainischen Angaben zufolge eine Rakete in eine Fabrik ein. Auch hier gab es demnach keine Toten.

Pawlo Kyrylenko vom Koordinierungszentrum der Region Donezk warf Russland den Einsatz von Phosphorgranaten vor. Der Luftwaffe in Kiew zufolge feuert Russland sogar vom Kaspischen Meer aus Raketen auf Ziele in der Ukraine ab. Die Angaben der Kriegsparteien sind nicht unabhängig zu überprüfen.

Wirrwarr um künftigen Zahlungen an Russland für Gas

Der russische Präsident Wladimir Putin will an diesem Donnerstag mit Vertretern des Energieriesen Gazprom und der russischen Zentralbank über einen Stopp von Gaslieferungen nach Europa reden. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte aus Sorge vor möglichen Einschränkungen die erste von drei Krisenstufen des sogenannten Notfallplans Gas in Kraft gesetzt.

Hintergrund ist die Ankündigung Russlands, Gas nur noch gegen Zahlungen in Rubel zu liefern. Deutschland und andere westliche Staaten pochen darauf, weiter in Euro und Dollar zu zahlen.

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Der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte am Mittwochabend nach einem Telefonat von Bundeskanzler Olaf Scholz mit Putin, die westlichen Zahlungen könnten auch nach dem 1. April wie üblich in Euro an die Gazprom-Bank gehen.

Die Bank konvertiere dann das Geld in Rubel. Scholz habe dem nicht zugestimmt, sondern um schriftliche Informationen gebeten.

Vorbereitungen für ein „Referendum“ in Cherson?

Der ukrainische Generalstab meldete in der Nacht, Russland bereite in der eroberten Großstadt Cherson ein „Referendum“ über die Errichtung einer moskaufreundlichen „Volksrepublik“ vor. Damit versuche die einmarschierte Armee, die Gebiete im Süden der Ukraine mit „zivil-militärischen Verwaltungen“ zu kontrollieren.

Das Muster würde den mittlerweile von Russland als unabhängig anerkannten Separatistengebieten Donezk und Luhansk in der Ostukraine ähneln. Cherson hat knapp 300.000 Einwohner und hat eine wichtige Rolle beim Schutz der Hafenstadt Odessa im Südwesten des Landes.

Das wird heute wichtig

Bei Putins Treffen mit Gazprom und der russischen Zentralbank soll es um konkrete Schritte zur Abrechnung der Gaslieferungen an den Westen gehen

Zudem wird Klarheit über eine mögliche Feuerpause für Mariupol erwartet. Selenskyj spricht zum australischen Parlament. Und Generalsekretär Jens Stoltenberg stellt den Nato-Jahresbericht vor. (dpa)

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