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Politik: „Wir stärken den Laizismus“ Autor verteidigt Entwurf für türkische Verfassung

Berlin - Der Autor des Entwurfs für eine neue türkische Verfassung hat die Debatte darüber in seinem Land beklagt. Sie sei durch eine „enorme Polarisierung“ belastet, sagte Ergun Özbudun, der mit einem Team von fünf weiteren Juristen den Text im Auftrag der regierenden AKP formuliert hat.

Berlin - Der Autor des Entwurfs für eine neue türkische Verfassung hat die Debatte darüber in seinem Land beklagt. Sie sei durch eine „enorme Polarisierung“ belastet, sagte Ergun Özbudun, der mit einem Team von fünf weiteren Juristen den Text im Auftrag der regierenden AKP formuliert hat. Dass die AKP-kritische Öffentlichkeit der Regierung eine verborgene Agenda unterstelle, die auf die langsame Islamisierung der Türkei ziele, schade auch dem Entwurf: „Hätte ihn die sozialdemokratische CHP vorgestellt, wäre er als demokratischer Fortschritt gefeiert worden“, sagte Özbudun, der Gast der Europäischen Akademie und der Berliner proeuropäischen deutsch-türkischen Initiative „Bati“ war.

Özbudun nannte als Beispiel den Laizismus. Der Vorwurf, der Text diene dem Ende der Trennung von Staat und Religion, „entbehrt jeder Grundlage, im Gegenteil, wir stärken den Laizismus“. Der Text sehe Religion nicht mehr als Pflichtfach an der Schule vor und anerkenne ausdrücklich die Glaubensfreiheit, einschließlich der, seine Religion zu wechseln. Özbudun sagte, er bedaure den aktuellen Kopftuchstreit. Er und seine Kollegen hätten diesen Punkt lieber im Rahmen eines Pakets von Grundrechten gelöst gesehen denn per Einzelgesetz.

Als Grundgedanken seines Entwurf nannte Özbudun den Vorrang individueller Freiheit. Die geltende, von den Militärs diktierte Verfassung von 1982 sei „eine Katastrophe“ und verteidige aus autoritärem Staatsverständnis den Staat gegen die Bürger. „Die Freiheit ist die Ausnahme, die Beschränkung die Regel.“ Dieses Verhältnis wolle man umkehren. Nach den Worten von Özbudun orientiert sich sein Text an der europäischen Menschenrechtskonvention, gibt Berufungsmöglichkeiten gegen Urteile der Militärgerichtsbarkeit und schafft deren Zuständigkeit für Zivilisten ab. Der Staatspräsident wird auf eine rein repräsentative Rolle beschränkt, die 10-Prozent-Hürde für die Parlamentswahl gesenkt.

Der Verfassungsprozess sei allerdings erst am Anfang, sagt Özbudun. Es werde auch Entwürfe der Opposition geben, dann müsse das Parlament und schließlich ein Referendum entscheiden. Die AKP selbst scheint sich noch schwer zu tun mit dem Entwurf – trotz eines uneingeschränkten Lobs von Premier Erdogan. Er sollte schon Ende letzten Jahres vorgestellt werden und ist es bis heute nicht. Warum? „Ich weiß es wirklich nicht“, sagt Özbudun.

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