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„Wir werden zweistellig“: Kubicki glaubt an Aufwärtstrend der FDP und liebäugelt mit Deutschlandkoalition
Die Umfragewerte der Liberalen sind desaströs. Ihnen droht, bei der Wahl an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Der FDP-Vize gibt sich unbesorgt – und schießt scharf gegen Kanzler Scholz.
Stand:
In Umfragen lag die FDP zuletzt zwischen drei und fünf Prozent, im jüngsten Politbarometer von ZDF und Tagesspiegel landeten die Liberalen von Parteichef Christian Lindner bei drei Prozent und würden nach dem Aus der Ampelkoalition bei der für den 23. Februar geplanten vorgezogenen Neuwahl den Wiedereinzug in den Bundestag verpassen.
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki rechnet aber in den nächsten Wochen mit einem klaren Aufwärtstrend seiner Partei. „Wir werden zweistellig“, sagte Kubicki dem „Stern“. „Ich mache sicher meinen 40. Wahlkampf, ich weiß, dass die Stimmung jederzeit dramatisch kippen kann.“
Auf die Frage, was er am 24. Februar, dem Tag nach der Bundestagswahl, mache, sagte Kubicki: „Da schlafe ich den Rausch aus von unseren Siegesfeierlichkeiten.“
Wenn die SPD mit Scholz unter 20 Prozent landet, wovon man ja ausgehen muss, dann sind all die Charakternasen von heute weg.
Wolfgang Kubicki, FDP-Vize
Mit dem Beginn des neuen Jahres würden sich die Menschen neu sortieren. „Das alte ist vergangen, es wird abgehakt, sie konzentrieren sich auf das, was kommt.“ Der Bundestagsvizepräsident weiter: „Ich sage das mal in der mir eigenen unpolemischen Art: Die Bürger stehen vor der Frage – Wohlstand oder Verzicht, Glück oder Depression.“
Auf die Frage, ob es die FDP sei, die für Glück und Wohlstand stehe, sagte der Vize der Liberalen: „Ich bin dafür erster Repräsentant, weil ich Genussmensch bin. Ich glaube, die meisten Menschen sind Genussmenschen.“
Viele wollten ihr Leben selbst gestalten. „Wenn ich nach dem Aufstehen das Morgenmagazin gucke, bin ich sofort auf Betriebstemperatur. Da kriegt man schon eingetrichtert, was man anziehen und essen soll.“
Kubicki sieht Bündnis mit Union und SPD als Option
Kubicki zeigt sich zudem offen für eine Deutschlandkoalition aus CDU, SPD und FDP nach der Bundestagswahl am 23. Februar. „Ich könnte mir nach der Wahl auch eine Deutschlandkoalition vorstellen“, sagte er weiter.
„Wenn die SPD mit Scholz unter 20 Prozent landet, wovon man ja ausgehen muss, dann sind all die Charakternasen von heute weg. Dann wird es Olaf Scholz nicht mehr geben, keinen Rolf Mützenich, keine Saskia Esken und keinen Lars Klingbeil“, so der 72-Jährige. Dann könne so ein Bündnis funktionieren.
„Es gibt in der SPD immer noch viele, die das Godesberger Programm im Kopf haben, die an Aufstieg glauben, an wirtschaftliches Wachstum und nicht nur über Gendertoiletten diskutieren wollen“, sagte Kubicki.
Mit dem Godesberger Programm von 1959 hatte sich die SPD vom Marxismus und Begriffen wie Klassenkampf, Planwirtschaft und Vergesellschaftung von Betrieben verabschiedet. Sie wurden durch das Bekenntnis zu Marktwirtschaft und Wettbewerb sowie durch die Akzeptanz von privatem, jedoch am Gemeinwohl orientiertem Eigentum abgelöst.
Kategorisch schloss Kubicki für die FDP jegliche Regierungszusammenarbeit mit den Grünen in den kommenden vier Jahren aus. „Das Menschenbild ist einfach zu unterschiedlich. Wir glauben, dass Menschen eigenverantwortlich ihr Leben gestalten können. Die Grünen glauben, dass Menschen beschützt werden müssen.“
Politisch passe das nicht. „Ich werde einer Zusammenarbeit mit den Grünen in der nächsten Legislatur auf keinen Fall zustimmen“, sagte er.
Ich könnte jetzt auch sagen: Olaf Scholz ist ein Dösbaddel.
Wolfgang Kubicki, FDP-Vize
Angesprochen auf den Unionskanzlerkandidaten und CDU-Chef Friedrich Merz, der Hilfe für die FDP in Form einer Zweitstimmen-Kampagne ausgeschlossen hatte, sagte Kubicki: „Wir brauchen keine Hilfe. Friedrich Merz hat genug damit zu tun, die Deutschen von seinem Programm zu überzeugen oder zu erklären, warum man jetzt mit dem BSW gemeinsame Sache macht. Echte Euphorie kann ich da bislang nicht erkennen.“
Zu Scholz, der gesagt hatte „Fritze Merz redet Tünkram (dummes Zeug)“, entgegnete Kubicki: „Ich könnte jetzt auch sagen: Olaf Scholz ist ein Dösbaddel.“ Dies bezeichne jemanden, „der tollpatschig ist und auf der Leitung steht – oder eben Schwachkopf“. Das Schöne an den Regionalsprachen sei, sie könnten harte Beleidigungen aussprechen – es hört sich immer noch nett an.
Kubicki will nicht Lindner-Nachfolger werden
Er hätte an Merz’ Stelle anders reagiert, so Kubicki: „Offenbar ging ihm das unter die Haut. Das war ein Ausdruck mangelnder Souveränität. Wir sollten uns alle etwas mehr Gelassenheit angewöhnen.“
Für eine Ära nach FDP-Chef Christian Lindner brachte er mehrere potenzielle Nachfolger ins Spiel. Auf die Frage, ob es denkbare Kandidaten gebe, antwortete Kubicki: „Abgesehen davon, dass diese Frage jetzt überhaupt nicht ansteht: Dutzende.“
Er selbst schloss eine Bewerbung für den nächsten Parteivorsitz aus. „Ich werde mit Sicherheit nicht Nachfolger von Christian Lindner. Aber Johannes Vogel, Konstantin Kuhle, Christian Dürr und viele andere, die könnten das alle“, sagte Kubicki.
„Ich stehe jetzt vor meiner letzten Legislaturperiode. Und in der Partei wird es für mich auch irgendwann zu Ende sein. Ich werde im nächsten Bundestagswahlkampf jedenfalls sicher nicht mehr stellvertretender FDP-Chef sein.“
Er kündigte aber an, auch nach der Wahl Bundestags-Vizepräsident bleiben zu wollen. „Der Job macht mir Spaß. Außerdem bin ich für die Baustellen des Bundestages verantwortlich. Und die will ich zu Ende bringen.“ (lem)
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