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Politik: Wird die Wahl der Kasse erschwert?

Union und SPD debattieren über die Gesundheitspolitik / Barmer-Chef für mehr Wettbewerb

Berlin - Politiker der großen Koalition wollen mehr Gesundheitsleistungen über Steuern finanzieren und im Gegenzug die Krankenkassenbeiträge senken. Dies zeichnet sich als Kern der Gesundheitsreform ab, die die Bundesregierung im kommenden Jahr beschließen will. Allerdings gibt es auch Forderungen bei SPD und Krankenkassen, den Wechsel in die private Krankenversicherung zu erschweren. Eckart Fiedler, Vorstandschef der Barmer Ersatzkasse, der größten deutschen Kasse, verlangte zudem mehr Wettbewerb im Gesundheitsbereich, um die Kosten zu senken.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte dem Tagesspiegel, die Kosten für die Gesundheitsversorgung der Kinder müssten von der Allgemeinheit getragen werden, nicht nur von den Beschäftigten über die Sozialbeiträge. Damit ließe sich der durchschnittliche Kassen-Beitragssatz um etwa 1,5 Prozentpunkte senken. Finanziert werden könne dies im Bundeshaushalt durch den Abbau von Subventionen. „Keine Subvention ist wichtiger als die medizinische Versorgung unserer Kinder“, sagte Lauterbach, der als enger Berater von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gilt.

Auch die Union plädiert für diesen Weg. Die sauberste Lösung für stabile Finanzen sei eine Steuerfinanzierung von Familienleistungen, sagte Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller der „Süddeutschen Zeitung“. In den kommenden Tagen will die Koalition in einer Klausur die wichtigsten Punkte für eine Reform festzurren. Im Gesundheitsministerium hieß es, es seien „alle Reformoptionen offen“. Weder beharre die SPD auf ihrem Modell der Bürgerversicherung, noch wolle die Union ihre Idee der Kopfpauschale durchsetzen. Ministerin Schmidt nannte in der ARD ihre Bedingungen für eine Reform. Es müsse der Zugang zu medizinischer Versorgung für alle gewährleistet sein, außerdem sollten die Patienten alles medizinisch Notwendige bekommen. Als dritten Punkt nannte sie den Erhalt der solidarischen Finanzierung.

Barmer-Chef Fiedler sagte, die Politik müsse handeln, denn die Reform von 2004 „verpufft allmählich“. Zwar werde es im kommenden Jahr bei der Barmer und den anderen Kassen noch ein leichtes Plus geben. 2007 drohe ohne Reform aber „ein großes Finanzloch“. Er schlug vor, die Kassen müssten mehr Vertragsfreiheit bekommen, um mit Ärzten, Pharmaherstellern oder Krankenhäusern über deren Leistungen verhandeln zu können. „Hätten wir diese Freiheit schon heute, wären die Arzneimittelkosten in diesem Jahr nicht mit einem Plus von 3,5 Milliarden Euro ausgeufert.“

Auch Fiedler verlangte eine Steuerfinanzierung der Kinderversicherung. Eine solche Reform allein würde das System aber nicht dauerhaft sanieren. Zusätzlich müsse man den Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung erschweren, der jedes Jahr den Verlust von einer Milliarde Euro Beiträgen bedeute. Fiedler: „Nahe liegt, die private Versicherung nur für Beamte und Selbstständige offen zu lassen und Arbeitnehmer auf Dauer bei den gesetzlichen Kassen zu versichern. Das wäre eine korrekte Trennung und würde die GKV vor weiteren Einnahmeverlusten bewahren.“ Zudem sollten die Versicherten auf ihre Gesamteinkünfte Beiträge zahlen. Denn die ältere Generation verfüge über Kapital- und Mieteinnahmen – ihre Gesundheitskosten würden aber von den Jungen finanziert, die meist nur über Arbeitseinkommen verfügten. „Ein Mix aus diesen Schritten würde das Gesundheitssystem für zehn Jahre zukunftsfest machen.“

Auch SPD-Experte Lauterbach forderte weiter gehende Schritte. „Ich werde einer Gesundheitsreform nur zustimmen, wenn parallel zur Umfinanzierung die Grenze für den Wechsel in die private Versicherung angehoben wird“, sagte er dieser Zeitung. Diese so genannte Versicherungspflichtgrenze müsse von einem Verdienst von 3937,50 Euro pro Monat ab 2006 auf 5200 Euro steigen. „Sonst wird es nicht gelingen, das Abwandern der Gutverdienenden in die Privatversicherung zu stoppen“, warnte er. Derzeit blieben diese nur in der gesetzlichen Versicherung, wenn sie Kinder hätten. Wenn die Kinderversicherung in Zukunft über Steuern finanziert werde, würden auch diese Gutverdiener zu den privaten Kassen wechseln. „Für deren Kinder muss dann der Steuerzahler aufkommen – das geht nicht an.“

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