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„Wirft ein Licht auf sein Sozialverhalten“: Merz empört über „Hofnarr“-Aussage von Scholz gegenüber Chialo
Der Bundeskanzler nannte den Berliner Kultursenator Joe Chialo bei einer privaten Party einen „Hofnarr“. Wie war das gemeint – und wie kam es an?
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat sich empört über die „Hofnarr“-Äußerung von Kanzler Olaf Scholz gegenüber Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) gezeigt.
Am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in der Stadt Neubrandenburg sagte er, es habe ihn „wirklich sprachlos gemacht“, als er von dem Vorfall erfahren habe. „Das ist der Bundeskanzler, der immer Respekt beansprucht, offensichtlich aber nur für sich selbst.“
Scholz müsse selbst entscheiden, ob er sich entschuldigt. Der Vorfall „wirft ein Licht auch auf seinen Umgang und sein Verhalten, auch auf sein Sozialverhalten.“
Schärfer wurde Unions-Fraktionsvize Jens Spahn: „Das ist eine unsägliche Entgleisung des Kanzlers, das ist geschmacklos und damit das Gegenteil von Respekt. Als Freund von Joe erschüttern mich diese Beleidigungen“, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Olaf Scholz sollte sich umgehend persönlich bei ihm entschuldigen. Es ist der traurige Schlusspunkt einer katastrophalen Kanzlerschaft.“
Am Mittwochabend sollen Scholz und Chialo telefoniert haben. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen. Zum Inhalt des Gesprächs wurde zunächst nichts bekannt.
Scholz soll Chialo bei Privatfeier als „Hofnarr“ bezeichnet haben
Was war passiert? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) als „Hofnarr“ bezeichnet. Wie der Chefredakteur des „Focus“-Magazins, Georg Meck, schreibt, habe Scholz Chialo bei einer privaten Feier beleidigt. Mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen bestätigen dem Tagesspiegel die Wortwahl.
Im Raum steht ein Rassismusvorwurf. Meck schreibt bei „Focus“ über ein Gespräch zwischen Scholz und Chialo: „Als CDU-Politiker Joe Chialo einwandte, ob er das wirklich so meine mit dem Rassismus der CDU, jener Partei also, in deren Bundesvorstand er sitzt, fuhr Scholz ihn an, er, der Schwarze, sei nicht mehr als ein Feigenblatt.“
Führende CDU-Politiker, darunter die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien, der Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak und die Generalsekretärin der CDU Berlin, Ottilie Klein, warfen Scholz vor, sich rassistisch geäußert zu haben.
Was sagt Joe Chialo zu dem Vorwurf?
Chialo erklärte zunächst gegenüber dem Tagesspiegel: „Ja, es hat einen Vorfall gegeben. Ich äußere mich nicht dazu.“ Später erklärte er der Deutschen Presse-Agentur in einem schriftlichen Statement, dass er die Äußerungen von Olaf Scholz in einem Gespräch mit ihm als „herabwürdigend und verletzend“ empfunden habe. Nach einem Telefonat mit dem Kanzler sei die Angelegenheit für ihn nun aber erledigt.

© dpa/Britta Pedersen
Was sagt Olaf Scholz zu dem Vorwurf?
In einem Statement des Bundeskanzlers heißt es, bei einem Gespräch auf einer privaten Geburtstagsfeier zwischen Scholz und „einem Journalisten“ vor zehn Tagen sei es um das Abstimmungsverhalten von Union und AfD im Bundestag gegangen. „Des Weiteren ging es um die Frage, ob sich das wiederholen könne und wer innerhalb der CDU diesen Tabubruch überhaupt offen thematisiere“, so Scholz.
„Auf den Hinweis, dass es auch liberale Stimmen in der CDU gebe, entgegnete ich, dass sich nur sehr wenige liberale Stimmen in der CDU gegen das Verhalten des CDU-Vorsitzenden gestellt und kritisch zu Wort gemeldet hätten.“ Der Bundeskanzler erklärte: „Der dabei von mir verwandte Begriff ist im Sprachgebrauch nicht rassistisch konnotiert und war von mir auch nie so intendiert. Der erhobene Vorwurf des Rassismus ist absurd und künstlich konstruiert. Persönlich schätze ich Joe Chialo gerade als eine wichtige liberale Stimme in der Union.“
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Ob konkret das Wort „Hofnarr“ gefallen ist, darauf ging Scholz in seinem Statement zunächst nicht ein. Nach Recherchen des Tagesspiegels ist dies jedoch der Fall. Auch die SPD bestätigte am späten Nachmittag gegenüber dem Tagesspiegel, dass mit dem „verwandten Begriff“ das Wort „Hofnarr“ gemeint war.
Im „Spiegel“-„Spitzengespräch“ sagte Scholz, er sei „aus allen Wolken gefallen“, als er die Berichterstattung gesehen habe. „Alles kann man mir vorwerfen, aber ganz sicher nicht, dass ich ein Rassist bin.“
Nie habe er die „Hofnarr“-Äußerung in Verbindung mit Chialos Hautfarbe gebracht. Der Vorwurf mache ihn „persönlich sehr betroffen“. Er schätze Chialo und bedauere es, wenn dieser die Aussage auf sich bezogen habe. „Nur gesagt habe ich das, was da gemeldet worden ist, eben nicht.“
Gastgeber Christ nimmt Scholz in Schutz
Der Unternehmer Harald Christ bestätigte dem Tagesspiegel, dass es sich bei der Veranstaltung um seine Geburtstagsfeier handelte. „Bundeskanzler Scholz und Kultursenator Chialo waren am 2. Februar Gäste einer privaten Einladung, anlässlich meines Geburtstags in den Berliner Capital Club“, sagte Christ.
Mir ging es darum, einen geschützten Raum zu schaffen, wo man auch kontrovers miteinander diskutieren kann.
Harald Christ, Gastgeber der Privatfeier
„Es waren etwa 300 Gäste zugegen – aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Journalismus. Ich habe in meiner Begrüßung klargestellt, dass es sich um eine private Einladung handelt, um einen Abend, bei dem offen miteinander geredet werden darf und soll, ohne dass über die Gespräche öffentlich berichtet wird.“
Christ erklärte: „Mir ging es darum, einen geschützten Raum zu schaffen, wo man auch kontrovers miteinander diskutieren kann.“ Er selbst habe das Gespräch nicht gehört, so der Unternehmer. „Ich war nicht zugegen, als es zu dem nun berichteten Dialog zwischen Bundeskanzler Scholz und dem von mir sehr geschätzten Senator Chialo gekommen sein soll. Ich kenne Olaf Scholz lange und gut, es ist absurd den Bundeskanzler in die Ecke eines Rassisten zu rücken.“

© Christ und Company
Ausgangssituation: Gespräch mit „Bild“-Reporter Ronzheimer
Ausgangspunkt der Situation bei der privat deklarierten Geburtstagsparty war nach Tagesspiegel-Informationen ein Gespräch von Kanzler Scholz mit dem „Bild“-Reporter Paul Ronzheimer. In diesem Gespräch soll sich Scholz kritisch geäußert haben über die „Bild“-Berichterstattung über die SPD und über das von der Union in Kauf genommene Abstimmen mit der AfD im Bundestag. In dieses Gespräch zwischen Scholz und Ronzheimer soll sich Chialo dann eingeschaltet haben. Im weiteren Verlauf soll die „Hofnarren“-Äußerung gefallen sein.
Zwischenzeitlich meldete sich der „Bild“-Reporter Paul Ronzheimer selbst zu Wort und schilderte den Vorfall in seinem Podcast. Demnach habe er mit Chialo zusammengestanden, als Scholz hinzugekommen sei und sich bei ihm über die „Bild“-Berichterstattung der vergangenen Tage beschwert habe. „Er fand, dass er nicht richtig dargestellt wurde“, so Ronzheimer.
Es war ein erhitztes Gespräch von seiner Seite aus.
Paul Ronzheimer über Olaf Scholz
Als es um eine mögliche Zusammenarbeit der CDU mit der AfD gegangen sei, habe sich Chialo schließlich eingemischt. Der Berliner CDU-Politiker habe erklärt, dass eine Zusammenarbeit nicht passieren werde. Dann habe Chialo auf sich verwiesen, „der ja dafür steht, dass es eine Zusammenarbeit nicht gibt – und dann machte Scholz die Äußerung mit dem ‚Hofnarren‘“, berichtet Ronzheimer. Der „Bild“-Journalist habe es „persönlich in dem Moment nicht als rassistischen Eklat wahrgenommen“, was jedoch nicht bedeute, dass man es nicht so empfinden könne.
Wegner fordert Entschuldigung von Scholz
Berlins Bürgermeister Kai Wegner (CDU) schrieb am Nachmittag auf der Plattform X: „Jeder entscheidet selbst, wie er seinen Wahlkampf führt. Aber Respekt und Anstand sollten auch im Wahlkampf immer unser Handeln bestimmen. Anständig wäre es, wenn der Bundeskanzler sich jetzt bei Joe Chialo entschuldigen würde.“
Die Bundes-CDU postete ebenfalls auf X ein Foto mit dem Porträt Chialos und den Worten „Respekt für dich!“
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Am Nachmittag wehrte sich der Bundeskanzler erneut gegen den Rassismus-Vorwurf. Medienanwalt Christian Schertz erklärte schriftlich, er sei von Scholz beauftragt worden, presserechtliche Schritte einzuleiten. Die in indirekter Rede unterstellte Formulierung „der Schwarze“ sei von Scholz „zu keinem Zeitpunkt getätigt“ worden.
„Erst durch diese der Wahrheit zuwider untergeschobene Ergänzung bei der Wiedergabe der Aussage wird aber überhaupt ein rassistischer Bezug zu dem in dem Artikel wiedergegebenen Wortwechsel hergestellt“, so Schertz.“ Dies verletze Scholz‘ Persönlichkeitsrechte, daher würden presserechtliche Schritte gegen focus.de eingeleitet.
Die SPD teilte mit, Schertz werde auch „gegen die Übernahme des falschen Zitats durch Dritte oder dessen weitere Verfälschung wie zuletzt durch die Berliner CDU rechtliche Schritte einleiten“. Deren Generalsekretärin Ottilie Klein hatte zuvor Scholz das Zitat „schwarzes Feigenblatt der CDU“ zugeschrieben. Die Berliner CDU teilte ihren Post bei X. Auf Nachfrage des Tagesspiegels hieß es aus der CDU, Klein habe keine andere Quelle als den „Focus“-Bericht. Doch nicht einmal dort wird Scholz wörtlich so zitiert. Klein dazu: „Das stand in einer früheren Version.“
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch kritisierte: „Focus Online rückt die Aussage von Olaf Scholz bewusst in einen rassistischen Kontext, obwohl er klargestellt hat, dass dieser Vorwurf absurd ist. Das ist keine seriöse Berichterstattung, sondern gezielte Kampagnenarbeit im Sinne der CDU.“ Miersch fügte hinzu: „Es ist bereits das zweite Mal, dass Focus Online eine haltlose Attacke gegen die SPD und unseren Kanzlerkandidaten fährt – beim letzten Mal musste die Plattform ihre falschen Behauptungen zurückziehen.“
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