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Politik: Worte – oder auch Taten?

Amerikanische Kommentatoren rätseln, was Bush mit seiner Rede zur Amtseinführung sagen wollte

Es war eine außergewöhnliche Rede. Das räumen selbst Kritiker ein. Die Worte „freedom“, „free“ und „liberty“ nahm George W. Bush bei seiner zweiten Inaugurationsrede 49 Mal in den Mund. Kein einziges Mal erwähnte er das Wort „Terror“, die Anschläge vom 11. September 2001, den Irak, Iran oder den Begriff „Menschenrechte“. Welche Freiheit meint er? Amerika rätselt. Erschöpfte sich die Ansprache in ein paar wohlklingenden Phrasen, die weiter nichts bedeuten? Oder hat sie praktische Konsequenzen? Bush selbst ließ das offen. Umso heftiger tobt der Interpretationsstreit.

Von „atemberaubendem Ehrgeiz“ sei der Präsident offenbar beseelt, schreibt die bürgerlich-liberale „Washington Post“. Sie wirft ihm „Freiheitsrhetorik“ vor. Fakt sei: Wenn es mit ihren Wirtschafts- oder Sicherheitsinteressen übereinstimmt, paktiere die US-Regierung oft mit Tyranneien – in Pakistan, Ägypten, Saudi-Arabien, Russland, China. Wenn Bush seine Rede ernst meine, stünde Amerika an der Schwelle zu einem „historischen Wandel“. Wenn nicht, würden seine Versprechen rückblickend als „grandios und hohl“ gewertet werden.

Die liberale „New York Times“ ist gnädiger. Die Passagen über die globale Ausbreitung der Demokratie seien insoweit richtig, als sich in ihnen die amerikanischen Ideale widerspiegelten. Allerdings sollte man aus ihnen nicht „die Legitimation für eine bestimmte Politik“ ableiten. Der konservative Kolumnist William Safire indes schreibt in derselben Zeitung: Die Rede zähle zu den besten eines wiedergewählten Präsidenten in der amerikanischen Geschichte. Die Tyrannei sei nun einmal der „Erzfeind der Freiheit“.

Voll der Lobes ist auch das konservative „Wall Street Journal“. Als erster Präsident seit John F. Kennedy habe Bush die Freiheitsglocke „ambitioniert und unerschrocken“ geläutet. Sicher, Amerikas Politik sei inkonsistent. Die Staatschefs von Ländern wie Pakistan und Russland würden mit Samthandschuhen angefasst. „Aber solche Zugeständnisse haben wir auch während des Kalten Krieges gemacht – und trotzdem wurde den Dissidenten hinter dem Eisernen Vorhang zu verstehen gegeben, dass wir auf ihrer Seite sind.“ Die gesamte Rede, schreibt die Zeitung weiter, habe einen einzigen Referenzpunkt gehabt – Irak. Bush habe den Amerikanern zu erklären versucht, warum die Opfer der US-Soldaten dort gerechtfertigt seien.

Ronald Reagan, das große Vorbild von Bush, war für viele osteuropäische Dissidenten ein Held. In Westeuropa hingegen wurde er verachtet. Bush hofft, durch die Geschichte auf ähnliche Weise rehabilitiert zu werden. Diese Vermutung äußerte am Donnerstagabend eine Reihe von TV-Kommentatoren in den USA. Am Tag der Inauguration schrieb Thomas Friedman, ein Pulitzerpreisträger der „New York Times“, würde morgen im Iran gewählt, hätte der US-Präsident dort eine Mehrheit. Viele junge Iraner „hungern offenbar danach, dass Bush ihre despotischen Führer beseitigt“.

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