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Politik: Wucherzinsen der Kassen sollen entfallen

Minister Bahr will Versicherten helfen.

Berlin - Wenn eine Bank ihren Schuldnern 60 Prozent Zinsen im Jahr abverlangen würde, wäre das sittenwidrig. Die gesetzlichen Krankenkassen jedoch sind zu solchem Wucher gesetzlich verpflichtet. Für ausstehende Beitragszahlungen müssen sie ihren Mitgliedern monatlich einen Säumniszuschlag von fünf Prozent in Rechnung stellen – und diese dadurch immer tiefer in die Schuldenfalle treiben.

Mit diesem Widersinn soll nach dem Willen von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nun Schluss sein. Noch in dieser Legislaturperiode soll der vorgeschriebene Strafzuschlag für Beitragsschuldner von fünf auf ein Prozent im Monat gesenkt werden. Und für Privatversicherte, die ihre Beiträge nicht zahlen können, ist ein so- genannter „Notlagentarif“ geplant, der nach Branchenschätzungen für 100 Euro monatlich zu haben sei. Er sieht eine Art Basisschutz vor, etwa bei akuter Erkrankung, Schmerzen oder Schwangerschaft, allerdings keine Altersrückstellungen. Der entsprechende Referentenentwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt, befindet sich zur Zeit in der Ressortabstimmung.

Das Problem mit den säumigen Zahlern hat sich die Politik in gewisser Weise selbst aufgebürdet – mit der allgemeinen Versicherungspflicht, die vor fünf Jahren eingeführt wurde. Seither ist zwar die Zahl der Nichtversicherten rapide gesunken. Doch gleichzeitig gibt es gibt immer mehr Versicherte, die ihre Beiträge nicht zahlen – und denen die Kassen nun nicht mehr wie früher mit dem Rauswurf drohen können. Bei den gesetzlichen Versicherern betragen die Rückstände inzwischen 4,5 Milliarden Euro. Ein Drittel davon geht auf die Kappe von Selbstständigen, bei vielen haben sich Beitragsschulden in fünfstelliger Höhe angesammelt. Die Privatversicherer kommen auf knapp 150 000 Nichtzahler, ihre Außenstände wurden zuletzt mit gut 500 Millionen Euro angegeben.

Da es kaum noch Druckmittel gegen Beitragsschuldner gab, sollten hoheStrafgelder abschreckend wirken. Tatsächlich habe sich dadurch „das Problem der Beitragsrückstände eher verschärft“, heißt es in dem Entwurf. Die Versicherer sehen das genauso. Sie begrüßten die Pläne aber auch, weil sie darin die Chance sehen, wenigstens an einen Teil ihres Geldes zu kommen. Kritik kam von den Verbraucherzentralen und der SPD. Es sei zwar gut, wenn die Zuschläge gesenkt würden, sagte deren Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Das Hauptproblem aber, dass sich immer mehr Bürger ihre private Krankenversicherung nicht mehr leisten könnten, werde nicht beseitigt. Rainer Woratschka

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