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Screenshot Youtube

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Youtube.com: Tummelplatz für Rechtsextreme

Wer im Internet nach Videos sucht, landet schnell bei Youtube.com. Eine fast unendliche Menge von Clips in jeder Qualität ist auf der Plattform verfügbar. Aber die Freiheit des Internets wird von vielen Rechtsextremen missbraucht.

Wer im Internet nach Videos sucht, landet schnell bei Youtube.com. Eine fast unendliche Menge von Clips in jeder Qualität ist auf der Plattform verfügbar. Aber die Freiheit des Internets wird von vielen Rechtsextremen missbraucht.

"Bisher das beste rechte Video, das ich gesehen habe. Weiter so!" Dem User "Germania1933" fällt nur "Republik der Kanacken" ein, ein Kritiker (=Nicht-Rechter) bekommt folgendes zu hören: "Komm kriech zurück in deinen Judenbau." Ein User breitet seine Zukunftspläne aus: "Ich gehe zur SS und dann könnt ihr zittern, weil ich jeden nicht Reindeutschen vergasen werde." Solche Kommentare finden sich, unzensiert und in Echtzeit veröffentlicht, in großen Mengen auf der Videoplattform Youtube. Sie beziehen sich auf rechtsextreme Videos, die sich ebenfalls in großen Mengen auf der Seite Youtube.com finden.

Das Portal ist für viele Internetnutzer die erste Adresse, wenn es um selbstgedrehte Videos, Ausschnitte aus Fernsehsendungen, Witziges im weiteren Sinne geht. Allerdings haben auch viele Rechtsextremisten und Antisemiten Youtube als attraktive Plattform entdeckt. Denn schon wegen der schieren Masse können die Kalifornier nicht jedes Video kontrollieren, nachdem es hochgeladen wurde. Das Ergebnis: Holocaust-Leugnung in allen Schattierungen, amerikanische, brasilianische und litauische Neonazis, die Werbung für "ihre" Sache machen. Aber auch deutsche Neonazis laden Hasspropaganda und Musikvideos hoch, die in Deutschland auf dem Index stehen, wie zum Beispiel Musik der Band Landser. Ein weiteres Problem ist die Auffindbarkeit solcher Videos auch über deutsche Suchdienste - zum Beispiel google.de.

Die rechtliche Lage ist schwierig, sagt Thomas Günter, Justiziar von "jugendschutz.net. Die Initiative der Jugendminister der Bundesländer kümmert sich darum, dass Jugendliche im Internet vor Pornografie und rechtsextremer Propaganda geschützt werden. Prinzipiell entscheidet das Land, in dem ein Unternehmen seinen Sitz hat, über die Zuständigkeit von Behörden und Initiativen. Youtube hat seinen Sitz im kalifornischen San Bruno. Daher haben die deutschen Jugendschützer formal recht wenig zu melden. Sie können nur an Youtube appellieren. Denn das Unternehmen beruft sich zwar in seinen Grundsätzen auf die Meinungsfreiheit. "Broadcast yourself" ist das Motto von Youtube, jeder kann ein Regisseur sein. Die Freiheit zur Veröffentlichung des so genannten user generated content findet aber auch auf Youtube ihre Einschränkungen: Weder Pornografie, Gewalt, Urheberrechtsverletzungen noch "hate speech" sind zulässig. Youtube lässt offiziell keine Videos zu, die Leute wegen Geschlecht, sexueller Orientierung, Rasse, Religion oder Nationalität angreifen.

Rechte Propaganda-Videos sind häufig keine echten Videos, sonder eine Bilder-Abfolge, die mit Musik unterlegt ist. Als Suchbegriffe dienen entweder so offensichtliche Dinge wie "Nazi", "Hitler" oder "Nationaler Widerstand". Begriffe wie "Endlösung" liefern bei Youtube keine Ergebnisse - hier scheint das Videoportal bereits eingegriffen zu haben. Neonazis verwenden statt dessen oft Zahlencodes wie 88 oder englische Begriffe. 88 steht für H, den achten Buchstaben des Alphabets, also Heil Hitler.

Missbrauchte Freiheit auf Youtube

Mehrere Tatsachen machen es Rechtsextremen auf Youtube ziemlich leicht. Da ist zum einen die Sprache - Deutsch rutscht leichter durchs Raster. Was sich auf Englisch maximal einige Tage auf der Seite gehalten hätte, bleibt dann oft über Monate online. Dann ist es die schon erwähnte schiere Masse, durch die eine Einzel-Kontrolle unmöglich ist. Ein weiteres Problem ist, dass Youtube Videos meist nur als "inappropriate", also unangemessen, markiert. In diesem Fall können sich nur registrierte Benutzer die Videos ansehen. "Aber die Registrierung wird nicht weiter überprüft", sagt Thomas Günter. Man kann sich also mit einem fiktiven Alter und fiktivem Namen anmelden, lediglich eine korrekte E-Mail-Adresse ist notwendig.

Wenn ein Video von einem Nutzer als "unangemessen" markiert wird, überprüfen Youtube-Mitarbeiter das Video und nehmen es gegebenenfalls herunter. Dies passiert aber eher selten, da sehr drastische rechte Videos allenfalls markiert sind. In seltenen Fällen werden Videos gelöscht. Dies lässt sich zum Beispiel daraus schließen, dass sie noch in der Suche angezeigt werden, aber nicht mehr aufrufbar sind.

Besonders unangenehm fallen auf Youtube Kommentar-Kriege auf. Viele umstrittene Themen, dazu kann auch so unpolitisches wie Popmusik gehören, entfachen erbitterte Diskussionen unterhalb einzelner Videobeiträge. So stehen selbst unter Fan-Videos von Tokio Hotel Dinge wie "Ihr gehört doch vergast". Unter rechten Propaganda-Videos sammeln sich große Mengen rechter und sich gegenseitig bestätigender Kommentare von Usern mit sprechenden Namen wie "Zeckenkiller" oder "Sturmkrieger88". In der Minderheit sind User, die widersprechen oder mit Gegenargumenten auftreten. Sie wiederum erhalten Antworten, deren Tiefe sich in etwa auf "hammma videoooooo! 88 88 88 88 kamerraden" beschränkt. Nur in sehr drastischen Fällen sperrt Youtube die Kommentarfunktion einzelner Videos oder löscht auch alle Kommentare unter einem Video.

Youtube reagiert eher bei Copyright-Problemen

Youtube ist bei Anfragen und Hinweisen von jugendschutz.net eher träge. "Schnell reagieren sie nur auf urheberrechtliche Verstöße", sagt Thomas Günter. Der Jurist sieht es als Vorteil, dass Youtube im Herbst 2006 von Google übernommen wurde. Denn über Google Deutschland haben die Jugendschützer deutsche Ansprechpartner. Google Deutschland ist inzwischen der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM) beigetreten. In einem Abkommen haben sich Suchmaschinenbetreiber verpflichtet, Hinweise auf jugendgefährdende Seiten an die Behörden weiterzuleiten. Webseiten, die auf dem Index stehen, werden nicht mehr in Suchergebnissen angezeigt. "Es ist also nicht hoffnungslos", urteilt Günter. Der Schutz Jugendlicher vor rechten Inhalten ist für seine Begriffe aber noch in einer "Übergangsphase".

Stefan Keuchel von Google Deutschland weiß um die Brisanz solcher Themen. Allerdings sind Youtube und Google "zwei voneinander getrennte Angebote". Bei Googles deutschen Diensten wie Google Video achtet die Firma darauf, dass rechtsextreme Begriffe keine Suchergebnisse liefern. "Wir sehen das als dringendes Problem", sagt Keuchel. Die User haben die Möglichkeit, anstößige Inhalte zu melden, was laut Keuchel "rege genutzt" wird. Auch wenn er ausdrücklich nicht für Youtube spricht, weiß Keuchel, dass die kalifornische Firma sich nicht "als Sprachrohr für Rechtsextreme" verstehen will. "Das ist nicht im Sinne des Erfinders."

Google filtert bei Bedarf

Allerdings: Das System ist unterschiedlich effektiv. Wenn man auf Google Video nach einem geschichtlich sensiblen Begriff wie "Endlösung" eingibt, liefert die Suche exakt ein Ergebnis - eine Dokumentation. Auch die Suche nach der Nazi-Band "Zillertaler Türkenjäger" bleibt ergebnislos. Der Begriff "Landser" liefert dagegen jede Menge Links zu Videos mit Musik der rechtsradikalen Band - die meisten davon auf Youtube. Stefan Keuchel nennt das ein "Katz-und-Maus-Spiel", mit dem alle Such-Seiten dieser Art zu kämpfen haben. Für eine genauere Stellungnahme zu unserem problematischen Suchergebnis war Google-Sprecher Keuchel bei unserer Recherche nicht zu erreichen.

Michael Hörz

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