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Ein Demonstrant mit Gasmaske in Rio de Janeiro

© dpa

Demonstrationen: Zehntausende protestieren gegen Bildungspolitik in Brasilien

Die Brasilianer gehen erneut auf die Straße: In Rio und anderen Städten protestierten Zehntausende Menschen gegen die Bildungspolitik der Regierung. Am Ende der Märsche kam es zu Krawallen und Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Es waren die größten Demonstrationen, die Brasilien seit den Massenprotesten im Juni erlebt hat. In Rio de Janeiro gingen am Montagabend mehrere Zehntausend Menschen auf die Straße, um gegen die Bildungspolitik von Stadt- und Landesregierung zu demonstrieren. In Sao Paulo fanden Solidaritätsmärsche für die unterbezahlten Lehrer in Rio statt. Außerdem wurde gegen den knappen Wohnraum und das Recht auf Hausbesetzung demonstriert. In Belem am Amazonas entzündeten sich die Proteste an der Forderung nach einer funktionierenden Abwasserwirtschaft.

In allen drei Städten kam es am Ende der Märsche zu Krawallen und Auseinandersetzungen mit der Polizei. In Sao Paulo explodierte ein von Randalierern auf ein Feuer gekipptes Auto, mehrere Menschen wurden verletzt. In Belem wurden Demonstranten von Gummigeschossen der Militärpolizei verwundet – zum Teil schwer. In Rio de Janeiro attackierte der mittlerweile auf eine beträchtliche Zahl angewachsene Schwarze Block aus vermummten und radikalisierten Jugendlichen das Stadtparlament, zündete einen Bus an und demolierte mehrere Bankfilialen. Die Polizei, die sonst beim geringsten Anlass Tränengas und Lärmbomben abfeuert, war nicht zu sehen.

Rios Landesregierung reagierte damit offenbar auf die skandalösen Aktionen der Militärpolizei während der letzten Bildungsdemonstration vor genau einer Woche. Da hatten Beamte wahllos auf Lehrer eingeprügelt, diese von Dächern aus mit schweren Gegenständen beworfen und versucht, Protestierern Feuerwerkskörper unterzuschieben, um sie anschließend festzunehmen. Die Polizeigewalt mobilisierte nun einerseits mehr Demonstranten, die anschließenden Krawalle in Rio lieferten andererseits den Fernsehnachrichten genügend Stoff, um sich inhaltlich nicht mit den Forderungen der Lehrer auseinandersetzen zu müssen.

Diese streiken schon seit mehr als einem Monat, um gegen ein neues Gesetz zu protestieren, das Arbeitszeiten und Bezahlung neu regelt – dabei aber völlig an der Realität vorbeigeht. Denn die drängendsten Probleme werden nicht einmal erwähnt: Schulzimmer mit zerbrochenen Fenstern und Löchern in der Decke, Klassen mit 40 oder mehr Schülern, fehlende Stühle, Tische und Bücher. Die Politik hatte vor der Verabschiedung des Gesetzes nicht einmal einen Dialog mit der Lehrergewerkschaft geführt.

Die 49-jährige Geografielehrerin Emilia Giordano, die seit 25 Jahren an einer Schule arbeitet, sagte dem Tagesspiegel während der Demo: „Wir kämpfen für eine Bildung mit der Qualität, wie sie sich für die angeblich sechstgrößte Wirtschaftsnation der Welt gehört.“ Man werde nicht aufhören, zu demonstrieren, bis man die Ziele erreicht habe: „Wenn das Rathaus Krieg will: Bitteschön!“ Die Wut der Lehrer über ihre Arbeitsbedingungen und vor allem ihre Bezahlung ist nur zu verständlich. Manche verdienen umgerechnet nur 360 Euro im Monat, bei weiter steigenden Lebenshaltungskosten – die die von Berlin teilweise bereits übertreffen.

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